Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchensteuer
Leitsatz (redaktionell)
Die Steuerabzugs- und -weiterleitungspflicht des (hier: konfessionslosen) Arbeitgebers stellt sich als Unterstützung der Arbeitnehmer bei der Erfüllung ihrer aus der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft folgenden Steuerpflicht dar und verstößt nicht gegen Art. 4 GG.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 6; KiStG BY Art. 13; KiStG BY Art. 14
Verfahrensgang
BayObLG (Entscheidung vom 02.04.1987; Aktenzeichen BReg 3 St 68/87) |
LG München II (Entscheidung vom 02.12.1986; Aktenzeichen 1 Ns 11 Js 23048/84) |
AG Freising (Entscheidung vom 15.04.1986; Aktenzeichen 2 Ls 11 Js 13048/84) |
BFH (Beschluss vom 13.03.1985; Aktenzeichen I B 48/84) |
FG München (Entscheidung vom 24.07.1984; Aktenzeichen VII 285/82-Ki 1-6) |
Gründe
Ob sich die Verfassungsbeschwerde nachträglich auch gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts Freising, des Landgerichts München II und des Bayerischen Obersten Landesgerichts richten soll, erscheint im Hinblick auf den unklaren Inhalt des entsprechenden Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom 15. April 1987 zweifelhaft. Jedenfalls ist die Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig, weil sich aus ihr keinerlei Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsähnlichen Rechten durch die strafgerichtlichen Entscheidungen ergeben (vgl. § 92 BVerfGG).
Im übrigen hat die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen lassen keine Grundrechtsverletzung erkennen. Die Rechtsgrundlagen der für rechtmäßig erklärten Haftungsbescheide (Art. 13 und 14 Kirchensteuergesetz ≪KirchStG≫ vom 15. März 1967 – GVBl. S. 317 –, geändert durch Gesetz vom 22. Oktober 1974 – GVBl. S. 551 –, und § 14 der Verordnung zur Ausführung des Kirchensteuergesetzes vom 15. März 1967 – GVBl. S. 320 –, zuletzt geändert am 25. Januar 1975 – GVBl. S. 21 –) sind mit Art. 4 Abs. 1 GG vereinbar (BVerfG, Beschluß vom 28. Oktober 1972 – 1 BvR 478/72 –; BayVerfGH, BayVfGH ≪N.F.≫ 20, 171).
Zwar schützt das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG den Einzelnen auch davor, Religionen oder Religionsgemeinschaften unterstützen zu müssen. Als Unterstützung kommen dabei nicht nur finanzielle Zuwendungen, sondern auch geldwerte Dienstleistungen in Betracht, wie sie die Verwaltung und Weiterleitung der Kirchensteuerbeträge für konfessionsgebundene Arbeitnehmer darstellen. Solche Dienstleistungen können die Religionsfreiheit auch dann berühren, wenn sie unmittelbar nur dem Staat geschuldet werden, durch dessen Vermittlung aber bestimmungsgemäß den Religionsgemeinschaften zugute kommen.
Das vorbehaltslos gewährleistete Grundrecht der Religionsfreiheit findet seine Grenzen jedoch in anderen Bestimmungen der Verfassung. Als solche kommen hier namentlich Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV in Betracht, die den Staat verpflichten, den Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts das Besteuerungsrecht zu verleihen, die Steuererhebung gesetzlich zu regeln, sich am Vollzug der Regelung zu beteiligen und dabei auch Verwaltungszwang zur Verfügung zu stellen (BVerfGE 44, 37 ≪57≫). Dabei darf der Staat unstreitig auch Private zur Erfüllung seiner Verpflichtung heranziehen.
Diese im Grundgesetz selbst angelegten Schranken der Religionsfreiheit werden durch die angeführten Bestimmungen des Kirchensteuerrechts in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert. Sie sind im Interesse einer ordnungsgemäßen Erfüllung der in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV begründeten Pflicht des Staates erforderlich und belasten konfessionslose Arbeitgeber nicht in unzumutbarer Weise (BVerfGE 49, 375 ≪377≫). Einerseits würde die Besteuerung durch differenzierende Regelungen, die der religiösen Einstellung der Arbeitgeber Rechnung trügen, außerordentlich erschwert. Andererseits beeinträchtigen die bestehenden Regelungen konfessionslose Arbeitgeber nur geringfügig. Die ihnen auferlegte Pflicht ist nicht personal, sondern funktional begründet. Sie knüpft an eine von ihnen gewählte und ausgeübte Rolle im Wirtschaftssystem an, nämlich die des Arbeitgebers, die in einer pluralistischen Gesellschaft mit der Beschäftigung Andersdenkender einhergeht. Die Steuerabzugs- und -weiterleitungspflicht des Arbeitgebers stellt sich auch als Unterstützung dieser Arbeitnehmer bei der Erfüllung ihrer aus der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft folgenden Steuerpflicht dar (BVerfGE 44, 103 ≪104≫). Die den Religionsgemeinschaften mittelbar zugute kommende Dienstleistung des Arbeitgebers ist eine rein technisch-administrative von geringfügigem Geldwert. Sie fordert ihm weder eine Identifikation mit einer Religion oder Religionsgemeinschaft ab noch erweist sie sich als Förderung in dem Sinne, daß die Religionsgemeinschaften durch die Abführung der Kirchensteuer in den Genuß von Mitteln kämen, die ihnen ohne die Tätigkeit des Arbeitgebers entgingen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen