Entscheidungsstichwort (Thema)
Benennung eines Empfangsbevollmächtigten. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung des § 123 AO, nach der ein Beteiligter ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland der Finanzbehörde auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen hat, stellt keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar; sie verstößt weder gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV noch gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 21 DBA-Frankreich.
Normenkette
AO §§ 5, 123; FGO § 102 S. 1; EGV Art. 12; DBA FRA Art. 21
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000 Euro.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte die Kläger gemäß § 123 der Abgabenordnung (AO 1977) auffordern durfte, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen.
Der Beklagte geht davon aus, dass die Kläger in den Veranlagungszeiträumen 1993 bis 1998 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hätten. Diese Einkünfte stellte er auch mit seinen Bescheiden vom 4. Oktober 2004 gesondert und einheitlich fest. Die Bescheide vom 4. Oktober 2004 übersandte der Beklagte an die Anschrift des Steuerberaters S in X. Dieser gab die Bescheide vom 4. Oktober 2004 dem Beklagten jedoch wieder zurück. Mit seinem Schreiben vom 6. Oktober 2004 bemerkte der Steuerberater hierzu, er besitze keine Zustellungsvollmacht der Kläger.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 legten die Kläger dennoch Einspruch gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2004 ein. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 teilten die Bevollmächtigten dem Beklagten mit, sie hätten eine Zustellungsvollmacht, die jedoch darauf beschränkt sei, die Entscheidung über den Einspruch gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2004 entgegenzunehmen. Der Einspruch war zum Teil erfolgreich. Über die Klage gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2004, die bei dem Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 245/06 anhängig ist, hat der Senat noch nicht entschieden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Bescheide vom 4. Oktober 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 sowie das Schreiben vom 14. Dezember 2005 nebst Anlage.
Der Beklagte hatte die streitigen Einkünfte allerdings bereits mit Bescheiden über die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 berücksichtigt. Die Klage gegen diese Bescheide ist bei dem Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 426/02 anhängig. Das Verfahren in der Finanzstreitsache 12 K 426/02 hat das Gericht im Hinblick auf das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt, das wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns noch durchzuführen sei.
Mit Schreiben vom 17. November 2005 hatte der Beklagte die Kläger ferner aufgefordert, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen. Hierzu hatte der Beklagte u. a. Bezug genommen auf das Verfahren über Einsprüche gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2004. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte er u. a. aus, im Streitfall sei absehbar, dass den Klägern auch künftig Steuerbescheide oder sonstige Schreiben zuzusenden seien. Wegen der Einzelheiten wird wiederum Bezug genommen auf den Bescheid vom 17. November 2005 und auf die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2006.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 10. Februar 1994, C-398/92 (Neue juristische Wochenschrift [NJW] 1994, 1271) halten die Kläger die Vorschriften des § 123 AO 1977 für eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 17. November 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2006 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise dem EuGH die Frage vorzulegen, ob § 123 AO 1977, soweit Frankreich als Ausland angesehen wird, gegen Europäisches Recht, insbesondere das daraus abzuleitende Diskriminierungsverbot, verstößt.
Der Beklagte beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.
Mit ihrem Schriftsatz vom 3. März 2006 hatten die Kläger ferner angekündigt, sie würden in der mündliche Verhandlung auch beantragen, das Gericht möge festzustellen, dass ein an sie gerichtetes Schreiben nicht als einen Monat nach der Aufgabe zur Post und ein elektronisch übermitteltes Dokument nicht am dritten Tag nach der Absendung als zugegangen gelte, solange nicht der Beklagte den Zugang dieser Schreiben nachgewiesen habe (Feststellungsantrag). Der Senat hat das Verfahren über den Feststellungsantrag abgetrennt. Zugleich hat er mit seinem Beschluss vom 30. Juni 2006 in beiden Verfahren den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Der Einzelrichter hat die Klage über den Feststellungsantrag,...