Entscheidungsstichwort (Thema)
Von berufsständischer Versorgungseinrichtung gezahltes Sterbegeld unterliegt nicht der Einkommensteuer. rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch. keine Befangenheit wegen früherer Zugehörigkeit des Richters zur Finanzverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sterbegeld, das von einer berufsständischen Versorgungseinrichtung als Zuschuss für die Bestattungskosten gewährt wird, unterliegt nicht als „andere Leistung” der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG, da es sich nicht um kapitalisierte „wiederkehrende Bezüge” i. S. d. § 22 Nr. 1 S. 1 EStG handelt.
2. Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters bedarf.
3. Eine frühere – weit zurückliegende – Zugehörigkeit eines Richters zur Finanzverwaltung ist offensichtlich nicht geeignet, dessen Ablehnung zu rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 Sätze 1, 3 a) aa); FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 42, 44 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 07. Oktober 2013 wird dahin geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um 1.734 EUR vermindert wird. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein von der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (nachfolgend: BWVA) gezahltes Sterbegeld als „andere Leistung” nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern ist.
Die Klägerin (Klin) bezog im Streitjahr (2008) nach dem Tod ihres (bis zu seinem Tod im September 2008 als Arzt selbständig tätigen) Ehemannes von der BWVA neben einer laufenden Rente ein Sterbegeld in Höhe von 3.097,20 EUR.
Da die Klin zunächst keine Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für sich und ihren verstorbenen Ehemann abgab, schätzte der Beklagte (Bekl) in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ESt-Bescheid vom 25. August 2010 (Bl. 15 ff. der ESt-Akten) die Besteuerungsgrundlagen. Gegen den genannten Bescheid legte der Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte der Klin mit Schreiben vom 08. September 2010 (Bl. 18 der ESt-Akten) Einspruch ein.
Nachdem die Klin am 02. Dezember 2008 die ESt-Erklärung für das Streitjahr beim Bekl eingereicht hatte, erließ dieser am 01. Februar 2011 einen ändernden ESt-Bescheid für das Streitjahr (Bl. 49 ff. der ESt-Akten), in dem er das Sterbegeld, von dessen Zahlung er durch eine „Rentenbezugsmitteilung” der BWVA (Bl. 36 der ESt-Akten) Kenntnis erlangt hatte, als sonstige Einkünfte der Besteuerung unterwarf. Dabei brachte er von dem Sterbegeld einen „steuerfreien Teil” in Höhe von 1.363 EUR in Abzug, so dass ein „steuerpflichtiger Teil” in Höhe von 1.734 EUR (= 56 % des Sterbegeldes) verblieb. In den Erläuterungen zu dem genannten ESt-Änderungsbescheid führte der Bekl unter Hinweis auf ein dem Bescheid vorausgegangenes „Anhörungsschreiben” vom 11. Januar 2011 (Bl. 40 der ESt-Akten) und Tz. 143 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) „vom 30.01.2010” (richtig: vom 13.09.2010) IV C 3-S 2222/09/10041, IV C 5-S 2345/08/0001, 2010/0628045 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2010, 681) aus, das Sterbegeld sei nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG versteuert worden. In dem genannten „Anhörungsschreiben” hatte der Bekl unter Hinweis auf das genannte BMF-Schreiben die Auffassung vertreten, auch einmalige Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen unterlägen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung.
Gegen den ESt-Änderungsbescheid vom 01. Februar 2011 legte der Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte der Klin mit Schreiben vom 09. Februar 2011 (ESt-Akten, Fach „Einspruch ESt 2008”, Bl. 2 ff.) erneut Einspruch ein und wandte sich u.a. gegen die steuerliche Behandlung des Sterbegeldes. Zur Begründung trug er vor, dem Sterbegeld in Höhe von 3.097 EUR seien die Sterbefallkosten (Kosten der Beerdigung usw.) gegenüberzustellen, da es sich um eine zw...