Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Bescheinigungen über ausgeschüttete Dividenden
Leitsatz (redaktionell)
1. Anders jedoch als nach den §§ 44, 45 a. F. KStG für das Anrechnungsverfahren ist die Bescheinigung nach der jetzt vorliegenden gesetzlichen Regelung keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Einordnung als nicht steuerbare Kapitalrückzahlung, sondern nur ein Nachweis. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. machte die Anrechnung materiell-rechtlich davon abhängig, dass die Steuerbescheinigung vorlag. Dagegen ordnet § 20 Abs 1 Nr. 1 Satz 3 EStG alle Leistungen als nicht steuerbar ein, für die Eigenkapital im Sinn des § 27 KStG als verwendet gilt. Die Nichtsteuerbarkeit von Rückzahlungen aus dem Einlagekonto der Gesellschaft an den Anteilseigner nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt damit lediglich die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § 27 KStG und nicht das Vorliegen einer Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 bis 5 KStG voraus.
2. Eine unrichtige Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 bis 5 KStG entfaltet keine Bindungswirkung, da sie nur Beweismittel und keine materielle Voraussetzung für die Nichtsteuerbarkeit der Einlagenrückzahlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.
3. Fehlt die Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 bis 5 KStG, kann der Nachweis auch auf andere Weise erbracht werden.
4. Die nachträgliche Erteilung einer Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 bis 5 KStG ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 AO.
Normenkette
KStG 2002 § 27 Abs. 1 S. 5, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4-5, § 28 Abs. 1 S. 3; EStG § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 45a Abs. 2 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1; AO §§ 129, 175 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2.
Nachgehend
Tenor
1. Die Kapitalertragsteuer für Dezember 2002 wird auf 28.609 EUR, der Solidaritätszuschlag auf 1.573,47 EUR herabgesetzt.
2. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigte für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Ermöglicht die Entscheidung über die Kosten eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1500 EUR, hat der Kläger Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung zu leisten. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob Bescheinigungen über ausgeschüttete Dividenden nach § 27 Abs.1 Satz 5 des Körperschaftsteuergesetzes vom 15. Oktober 2002 – KStG – geändert werden können.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die seit dem Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Juli 2001 ein abweichendes Wirtschaftsjahr hat. Sie war bis zum Jahr 2001 in der Holzbranche tätig. Aufgrund von Verlusten beschränkten sich die Aktivitäten im Streitjahr auf die Verwaltung von Immobilien. Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 06. November 2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wurde das Grundkapital von 10 Millionen DM auf 2,5 Millionen Euro herabgesetzt. Der Differenzbetrag von 2.612.919 EUR wurde der Kapitalrücklage zugeführt. Die Firma der Klägerin lautet zwischenzeitlich X AG.
Alleinige Aktionäre der AG waren Y 1 mit Anteilen von 48,912 %, Y 2 und Y 3 mit Aktien von jeweils 21,944 % und Y 4 mit Anteilen von 7,2%. Am 15. November 2002 beschloss die Hauptversammlung eine Gewinnausschüttung von 862.000 EUR. Die Auszahlung erfolgte am 30. Dezember 2002. Die dementsprechende Anmeldung zur Kapitalertragsteuer ging am 27. Dezember 2002 beim beklagten Finanzamt ein. Darin waren die gesamten Kapitalerträge von 862.000 EUR als steuerpflichtige Erträge angegeben, die hieraus resultierende Kapitalertragsteuer mit 172.400 EUR. Die für die Aktionäre ausgestellten Steuerbescheinigungen wiesen die entsprechenden Dividenden ausschließlich als Kapitalerträge im Sinn des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, die Zeile für „Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto” blieb leer. Die Handelsbilanz der Klägerin enthält den Bestätigungsvermerk und den Ergebnisverwendungsvorschlag vom 18. Oktober 2002, die Bilanz selbst ist im Oktober 2003 unterschrieben.
Die Körperschaftsteuererklärung wurde zusammen mit der Handelsbilanz am 19. Mai 2004 beim beklagten Finanzamt abgegeben. Am 16. Juli 2004 erging zum Stichtag 31. Juli 2001 ein nach § 129 AO berichtigter Bescheid, mit dem in dem steuerlichen Einlagenkonto 3.203.841 DM als durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG und das Körperschaftsteuerguthaben mit 376.743 DM festgestellt wurden. Die Abgabe der Steuerbilanz erfolgte erst am 3. Februar 2005. Im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuerbilanz wurde festgestellt, dass für die Gewinnausschüttung insgesamt 718.957 EUR als aus dem Einlagenkonto verwendet zum Abzug gebracht wurden. Es erging zunächst ein unter Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid über die gesonderte Feststellung der...