Steuerliches Einlagekonto bei Betrieben gewerblicher Art

Der BFH hat zu Fragen der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos bei Betrieben gewerblicher Art (BgA) ohne eigene Rechtspersönlichkeit entschieden. Nun hat die Finanzverwaltung ihre bisherige Rechtsauffassung zu Auslegungsfragen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG bei BgA als Schuldner der Kapitalerträge angepasst.

Der BFH (Urteil vom 30.09.2020 - I R 12/17) hat entschieden, dass für einen nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit das steuerliche Einlagekonto unabhängig davon festzustellen ist, welche Gewinnermittlungsart beim BgA vorliegt. Ebenso sei es ohne Belang, ob die jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG überschritten sind oder nicht. Für solche BgA ist für jeden Veranlagungszeitraum ein steuerliches Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 2 KStG festzustellen.

Änderung des BMF-Schreibens

Die Finanzverwaltung schließt sich nunmehr dieser Rechtsprechung an und hat das bisherige BMF-Schreiben v. 28.1.2019, BStBl 2019 I S. 97, insoweit angepasst. Die Änderungen betreffen folgende Bereiche:

Rücklagen bei teilweise steuerbefreiten BgA

Die bisherigen Ausführungen in Rdnr. 38 bleiben bestehen. Diese regeln, dass die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nur für den nicht steuerbefreiten Teil des BgA relevant ist. Zudem gilt dieser nicht steuerbefreite Teil des BgA für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG als Regiebetrieb, sodass insoweit die Grundsätze für die Rücklagenbildung nach Rdnr. 35 anzuwenden sind.

Neu ist die Aussage, dass auf die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos verzichtet werden kann, wenn der Träger des BgA bzw. der steuerbegünstigte Teil des BgA die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 EStG erfüllt und damit § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nicht anzuwenden ist.

Steuerliches Einlagekonto

Die Rdnr. 42 ist insoweit ergänzt worden, dass eine erforderliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos fortlaufend vorzunehmen ist und diese Feststellung weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG gebunden ist. Damit wurde der Leitsatz des BFH-Urteil vom 30.9.2020, I R 12/17 wörtlich übernommen.

Besonderheiten für Regiebetriebe 

Die Rdnr. 44 wurde völlig neu gefasst:

  • Ist das steuerliche Einlagekonto bisher durchgängig festgestellt worden, ergibt sich der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos aus dem festgestellten Schlussbestand des Vorjahres (§ 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 7 KStG).
  • Ist hingegen bisher keine oder nicht fortlaufend eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt, ist für die Feststellungen auf den Schluss des letzten in 2022 endenden Wirtschaftsjahres (Erstjahr) eine Feststellungserklärung abzugeben und eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos vorzunehmen.
  • Sofern bisher noch nie eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt ist, wird der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos im Erstjahr aus der Summe des vorhandenen Eigenkapitals des BgA zu Beginn des im Erstjahr endenden Wirtschaftsjahrs ermittelt. Abzustellen ist auf das Eigenkapital, das das Nennkapital bzw. eine vergleichbare Kapitalgröße des BgA übersteigt. Zusätzlich sind seit dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren geleistete Verlustausgleichseinlagen zu berücksichtigen.
  • Sind in der Vergangenheit zwar Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos erfolgt, diese jedoch nicht durchgängig und insbesondere auch nicht auf den Schluss des dem Erstjahr unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, so ist der Anfangsbestand ebenfalls zu ermitteln und dabei die vorgenannten Regeln analog anzuwenden. Dem BgA steht es frei, Erklärungen für Jahre ohne eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos abzugeben.

Hinweis: Geleistete Verlustausgleichseinlagen liegen auch vor, soweit der die Ausgleichszahlung begründende Verlust steuerlich durch Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung gemindert wurde. Gewinne eines Regiebetriebs, die (mangels Rücklagenbildung) als an die Trägerkörperschaft abgeführt gelten, stellen keine Veränderung des Eigenkapitals dar und fließen damit nicht in den Anfangsbestand ein.

Ebenfalls sehr umfassend geändert wurde die Rdnr. 45:

  • Bei BgA, welche die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 Halbsatz 2 EStG in einem Wirtschaftsjahr nicht erfüllen, führen Eigenkapitalveränderungen zu einer entsprechenden Veränderung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Diese Eigenkapitalzugänge stellen keine Rücklagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG dar und unterliegen daher bei ihrer Auflösung nicht der Kapitalertragsteuer.
  • Wurden weitere Einlagen zum Verlustausgleich geleistet und können diese nachgewiesen werden, erhöht sich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos auch insoweit. Als Rücklagen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG gelten nur solche Gewinne, die in Wirtschaftsjahren erwirtschaftet und stehengelassen worden sind, in denen die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen erfüllt sind.
  • Wurden Rücklagen aufgelöst, verringert sich das Eigenkapital und damit das steuerliche Einlagekonto nur insoweit, wie die Rücklagenauflösung in sinngemäßer Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG als Einlagenrückgewähr anzusehen ist. Unerheblich ist dabei, ob im Jahr der Rücklagenauflösung die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen erfüllt waren oder nicht. Das BMF erläutert in einem Beispiel das Zusammenspiel zwischen Stehenlassen von Gewinn, Rücklagenbildung und Kapitalertragsteuerpflicht.

Rdnr. 46 wird aufgehoben, da deren Inhalt modifiziert in Rdnr. 44 eingeflossen ist.

Diese Änderungen sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

BMF, Schreiben v. 4.4.2022, IV C 2 - S 2836/21/10001 :001


Schlagworte zum Thema:  Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer