Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage von Kasseneinzeldaten und Unveränderbarkeit der Kassendaten bei Verwendung elektronischer Registrierkassen. Aussetzung der Vollziehung bei Hinzuschätzung von Umsätzen auf der Basis der Quantilsermittlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Steuerpflichtige kann sich nicht auf eine Unzumutbarkeit der Vorlage von Kasseneinzeldaten berufen, wenn die von ihm verwendeten elektronischen Registrierkassen nach Herstellerangaben durch einfache Softwareupdates in der Lage gewesen wären, diese Daten zur Verfügung zu stellen.
2. Die Kassenbuchhaltung verstößt gegen das Erfordernis der Unveränderbarkeit der Kassendaten, wenn die verwendete elektronische Registrierkasse Stornierungen und die Einrichtung eines sog. Trainingsbedieners zulässt und es dabei möglich ist, relevante Daten derart zu unterdrücken, dass sie nachträglich nicht mehr nachvollziehbar sind.
3. Die Ermittlung eines Quantils im Hinblick auf die in den Monaten des Streitzeitraums geltenden Rohgewinnaufschlagsätze stellt lediglich eine Verprobungsmethode, aber keine zulässige Schätzungsmethode dar. An der Rechtmäßigkeit einer auf Grundlage der Quantilsermittlung vorgenommenen Hinzuschätzung von Umsätzen bestehen daher ernstliche Zweifel.
Normenkette
UStG § 10; AO § 146 Abs. 1, 4, §§ 158, 162 Abs. 2 S. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2013 vom 27. November 2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung durch den Antragsgegner im Einspruchsverfahren i.H.v. 13.883 EUR ausgesetzt.
Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Monat Januar 2014 vom 26. November 2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung durch den Antragsgegner im Einspruchsverfahren i.H.v. 2.941 EUR ausgesetzt.
Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Monat Februar 2014 vom 26. November 2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung durch den Antragsgegner im Einspruchsverfahren i.H.v. 3.459 EUR ausgesetzt.
Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Monat März 2014 vom 26. November 2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung durch den Antragsgegner im Einspruchsverfahren i.H.v. 3.590 EUR ausgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 2/5 dem Antragsteller und zu 3/5 dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller betrieb im Streitzeitraum 1. Januar 2013 bis 31. März 2014 ein Clubrestaurant im B.-Club e.V. in der C.-straße, D., sowie ein Restaurant im E.-Park F.. In den Restaurants verwendete er zwei elektronische Registrierkassen (in D. die Kasse Vectron POS mini, in F. die Kasse Quorion Concerto), die nach Herstellerangaben durch Softwareupdates in der Lage wären, Kasseneinzeldaten aufzuzeichnen und auszugeben. Der Antragsteller hat von einer solchen technischen Aufrüstung keinen Gebrauch gemacht. Kasseneinzeldaten liegen daher für den Streitzeitraum nicht vor. Die Kassen waren darüber hinaus im Streitzeitraum in einer Weise programmiert, die es zuließ, dass Stornierungen nachträglich nicht mehr nachvollziehbar waren. Zudem konnte eine sog. Trainingsbedienerfunktion eingestellt werden, bei der Buchungen nicht in den Tagesabschluss eingingen. Eine Verwendung dieser Funktion war nachträglich nicht nachvollziehbar.
Für das Jahr 2013 reichte der Antragsteller am 11. Februar 2015 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der er u.a. Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. 675.173 EUR angab. Der Antragsgegner stimmte der Steuererklärung zu, so dass diese als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galt. Für die Monate Januar 2014 bis März 2014 gab der Antragsteller zudem Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, in denen er Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. 66.386 EUR (Januar 2014), 39.105 EUR (Februar 2014) sowie 33.586 EUR (März 2014) erklärte.
Der Antragsgegner ordnete hieraufhin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Streitzeitraum an. Die Prüferin kam zu dem Ergebnis, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Daher sei eine Hinzuschätzung bei den Umsätzen vorzunehmen. Als Schätzungsmethode wandte sie die sog. Quantilsschätzung an. Im Rahmen dieser Methode berechnete die Prüferin die monatlichen Rohgewinnaufschlagsätze im Streitzeitraum für beide Restaurants des Antragstellers. Sodann legte sie einen Standardnormalbereich (sog. Regelgeschäftsbereich) fest, der zwischen dem 20 % – und dem 80 % – Quantil lag. Werte die außerhalb dieses Bereiches lagen, stellten sog. Ausreißer dar und wurden nicht berücksichtigt. Als maßgeblichen Rohgewinnaufschlagsatz ermittelte die Prüferin das 80 % – Quantil, mithin der Wert, der der 80 % – Grenze aller Rohgewinnaufschlagsätze entspricht. Die Ermittlung erfolgte dabei getrennt für die beiden Restaur...