Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsantrag bei Angabe einer fehlerhaften Tarifnummer für Putenweißfleisch in der von einer beauftragten Spedition erstellten Zollanmeldung; Beweiskraft eines ohne Zollbeschau erstellten Zollbefundes; Beweisanforderungen bei nachträglicher Geltendmachung einer falschen Tarifierung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Zollstelle im Zusatzblatt ALFA-DOUANE-Zollbefund vermerkt, sie habe die Anmeldung angenommen, hat aber keine Zollbeschau stattgefunden, dann kann sich der Zollbefund nur auf die Überprüfung der Zollanmeldung und der beigefügten Unterlagen bezogen haben. Die Beweiskraft des Zollbefunds beschränkt sich deshalb darauf, dass die Zollstelle die Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung mit den vorgelegten Papieren -und damit auch die in der Anmeldung vorgenommene tarifliche Einordnung- bestätigt hat.
2. Die aufgrund der Beschaffenheitsvermutung des Art. 71 Abs.2 ZK bestehende gesetzliche Zollschuld kann auch im Falle einer tatsächlich hinsichtlich der Tarifierung unrichtigen Zollanmeldung nur dann nachträglich entfallen, wenn die Zollanmeldung nach Art. 65 ZK, 204 ZK-DVO berichtigt werden kann und tatsächlich berichtigt wird.
3. Sowohl die Zollbehörden als auch die Finanzgerichte haben einen Erstattungsantrag auch ohne diesbezüglichen Antrag im Hinblick auf Art. 239 ZK zu prüfen, wenn der Antrag auf eine andere Vorschrift (im Urteilsfall: Art. 236 ZK) gestützt, insoweit aber erfolglos war.
4. Hinsichtlich der eine Erstattung nach Art. 239 Abs.1 ZK ausschließenden "offensichtlichen Fahrlässigkeit" muss sich der Zollanmelder bei voller Übertragung der zollamtlichen Abfertigung auf eine Spedition deren Verhalten zurechnen lassen. Die Spedition handelt offensichtlich fahrlässig, wenn sie schon mehrfach in Zollanmeldungen denselben Fehler -Eintragung einer bestimmten falschen Tarifnummer- begangen hat.
5. Bei Geltendmachung einer fehlerhaften Tarifierung in der Zollanmeldung setzt ein -für eine Erstattung nach Art. 239 Abs.1, zweiter Anstrich ZK vorausgesetzter- "besonderer Fall" i.S. von Art. 905 ZK-DVO voraus, dass zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die betreffende Ware in der Zollanmeldung fälschlich der angegebenen Tarifnummer zugeordnet worden ist und dass eine andere Tarifnummer richtig gewesen wäre. Für diesen Beweis gelten zumindestens die Anforderungen, die bei einer Zollbeschau den Schluss auf die Beschaffenheit des nicht geprüften Teils einer Warensendung zulassen (§ 17 Abs.1 Satz 2 ZG, Art. 71 Abs.1 ZK).
6. Zum Beweis, dass "Putenweißfleisch ohne Haut und Knochen, gefroren" entgegen der Angabe in der Zollanmeldung nicht ungewürzt, sondern gewürzt war.
Normenkette
ZK Art. 71 Abs. 1; ZKDV Art. 247 Abs. 1; EWGV 2913/92 Art. 71 Abs. 1; EWGV 2454/93 Art. 247 Abs. 1; ZKDV Art. 248 Abs. 1; EWGV 2454/93 Art. 248 Abs. 1; ZKDV Art. 204; EWGV 2454/93 Art. 204; ZK Art. 65; EWGV 2913/92 Art. 65, 239 Abs. 1; ZK Art. 239 Abs. 1; ZG § 17 Abs. 1 S. 2; ZKDV Art. 905 Abs. 1; EWGV 2454/93 Art. 905 Abs. 1; ZK Art. 236 Abs. 1; EWGV 2913/92 Art. 236 Abs. 1
Tatbestand
Am 6. Januar 1997 meldete die Klägerin, vertreten durch eine Spedition, mit dem Zollbeleg beim beklagten HZA – Zollamt 23587 kg (= 1.300 Kartons) gefrorenes Putenweissfleisch, ohne Haut und Knochen, ungewürzt, gefroren unter der Warennummer 0207 2710 0000 an. Auf dem Zusatzblatt 0550 ALFA DOUANE-Zollbefund heißt es im Kasten „Zollbefund und sonstige Vermerke”:
„oB
wie angemeldet angenommen Veterinärzeugnis Nr. lag vor.”
Im Veterinärzeugnis Nr. sind von dem Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz-, und Veterinärdienst durch den als Zeugen vernommenen Amtlichen Tierarzt Dr. Z. am 6. Januar 1997 folgende Kontrollen bestätigt worden (Bl. 15 GA):
- Dokumentenprüfung
- Nämlichkeitskontrolle
- Warenuntersuchung.
In dem Veterinärzeugnis wird Bezug genommen auf das Gesundheitszeugnis des U. S. Department of Agriculture vom 17. Dezember 1996. In diesem ist die Ware bezeichnet als
„FROZEN PEPPERED SCAPULA TURKEY SEASONED WITH PEPPER”
Demgegenüber enthält das Veterinärzeugnis vom 6. Januar 1997 nur die Warenbezeichnung „Putenfleisch ohne Haut und Knochen gefroren”.
Das ZA nahm die Zollanmeldung an und setzte die Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung des Zollsatzes von 227,52 DM/100 kg auf DM 53.665,14 Zoll/Agrar und DM 11.200,73 EUSt, insgesamt DM 64.865,87 fest.
Am 27. Januar 1997 teilte die Spedition im Namen der Klägerin dem HZA mit, daß die Ware versehentlich als ungewürzt angemeldet worden sei, obwohl es sich um gewürztes Fleisch gehandelt habe. Dies gehe sowohl aus dem Auftragsschreiben des Kunden wie auch aus den Zeugnissen hervor. Um Erstattung an die Klägerin werde gebeten. Dem Schreiben fügte die Spedition u. a. einen Spediteurübergabeschein bei, aus dem sich ergibt, daß eine weitere Spedition am 8. Januar 1997 die fragliche Sendung unter der Bezeichnung
„Putenweißfleisch ohne Haut und ohne Knochen, gewürzt, gefroren”
von der Spedition, die die Zollanmeldung vorgenommen hatte, erhalten hat. Außerdem war die Durchschrift des Veterinär...