Entscheidungsstichwort (Thema)

Tragweite eines Vorläufigkeitsvermerks - Erneute Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts soweit der Vorbehalt der Nachprüfung noch nicht aufgehoben oder die Vorläufigkeit einer Veranlagung andauert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wurde die Sonderabschreibung nach § 4 Fördergebietsgesetz in einem formell bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid bei den Vermietungseinkünften in der vom Steuerpflichtigen beantragten Höhe berücksichtigt, so darf dieser das Wahlrecht zur Verteilung der Sonderabschreibung auf das Jahr der Investition und die vier Folgejahre noch nachträglich anderweitig ausüben, wenn der Einkommensteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig hinsichtlich der Vermietungseinkünfte ergangen ist.

2. Zur Frage, ob ein hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorläufig ergangener, formell bestandskräftig gewordener Einkommensteuerbescheid später wegen Werbungskosten im Zusammenhang mit einem zweiten, dem FA bei Erlass des Bescheides noch nicht bekannten Vermietungsobjekt nach § 165 Abs. 2 AO 1977 geändert werden kann.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Vorläufigkeitsvermerk "vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil z. Zt. die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann" erstreckt sich nur auf die in der Einkommensteuererklärung angegebenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, er umfasst nicht auch die Einkünfte, die ein in der Einkommensteuererklärung nicht genanntes - im Bau befindliches - Vermietungsobjekt betreffen, von dessen Existenz das Finanzamt aber bereits durch einen Antrag auf Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen Kenntnis hatte.

2. In Fällen, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung noch nicht entfallen ist (§ 164 Abs. 3 AO) oder in denen die Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 AO andauert, ist die erneute Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts (hier: Verteilung der Sonderabschreibung nach § 4 FördG) möglich.

3. Revision eingelegt (Az. des BFH: IX R 14/02).

 

Normenkette

AO 1977 § 165 Abs. 2 S. 1, § 164 Abs. 3; FördG § 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.06.2004; Aktenzeichen IX R 14/02)

BFH (Urteil vom 29.06.2004; Aktenzeichen IX R 14/02)

 

Tenor

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 20. April 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2000 wird die Einkommensteuer 1996 anderweitig auf DM festgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 2/7 und das Finanzamt 5/7.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage möchten die Kläger eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 erreichen.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie sind Eigentümer diverser Immobilien und erzielen damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Bis zum Jahr 1994 ergingen die Einkommensteuerbescheide endgültig.

Mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1995 erwarb die Klägerin einen in A bei M gelegenen Bauplatz und ließ darauf zwei Doppelhäuser errichten, die im Dezember 1996 fertiggestellt worden sind. Durch notariellen Vertrag vom 8. Oktober 1996 kauften die Kläger je zur Hälfte ein in S bei B gelegenes Grundstück nebst darauf zu errichtendem Reihenhaus, das im Dezember 1997 fertiggestellt worden ist. Zur Finanzierung der Aufwendungen für die in S gelegene Immobilie nahm der Kläger ein Wohnungsbaudarlehen in Höhe von DM 390.000,-- auf, von dem ihm Ende 1996 (Streitjahr) ein Disagio in Höhe von DM 39.000,-- abgezogen wurde.

Für das Grundstück in A nahm die Klägerin bei der Einkommensteuerveranlagung 1995 erhöhte Abschreibungen nach § 4 Fördergebietsgesetz (FördG) in Anspruch. "Hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" erging der Einkommensteuerbescheid 1995 vorläufig.

Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 gab die Klägerin für das in A gelegene Grundstück einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von DM 355.276,-- an. U. a. machte die Klägerin eine Sonderabschreibung nach § 4 FördG in Höhe von DM 241.281,-- geltend, die das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung antragsgemäß (abgesehen von einer geringen Abweichung, DM 241.271,-- statt DM 241.281,--) bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte. Für das Grundstück in S erklärten die Kläger in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 1996 durch Bescheid vom 5. Mai 1998 fest. Ebenso wie der Einkommensteuerbescheid 1995 erging dieser Bescheid "vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil z. Zt. die Einkünfteerzielungsabsicht nicht endgültig beurteilt werden kann". Dieser Bescheid wurde nach Zurücknahm...

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