Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit bei teilweiser „freier Mitarbeit”. Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist insgesamt von einer Eingliederung als Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers und nicht von einer teilweise selbständigen Tätigkeit auszugehen, wenn zwei zeitlich befristet mit der Umstellung der Finanzbuchhaltung auf ein anderes System beauftragte „freie Mitarbeiterinnen und selbständige Beraterinnen” u.a. mit dem Auftraggeber keinen schriftlichen Vertrag zur Festlegung des Arbeitserfolges und zur Durchführung der Arbeiten geschlossen haben, wenn ihnen neben einem monatlichen Pauschalhonorar auch Telefonkosten sowie Reise- und Übernachtungskosten in einem Hotel erstattet worden sind, wenn monatlich feste Bezüge ohne Berücksichtigung von Urlaubs- oder Krankheitstagen abgerechnet worden sind, wenn die Mitarbeiterinnen nach den vorgelegten Abrechnungen neben der selbständigen Arbeit bereits im einem Umfang von über neun Stunden täglich im Betrieb mit „kaufmännischen Tätigkeiten” (u.a. Korrespondenz, Ablage, Post, Kassentätigkeit) als Arbeitnehmer des Auftraggebers tätig waren und wenn ihnen zeitweise Prokura eingeräumt war.
2. Kann das FA die Anschriften und die steuerliche Erfassung der beiden „freien Mitarbeiterinnen” trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen, ist die ausschließliche Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner nach § 42d EStG nicht ermessensfehlerhaft.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Sätze 1-2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt einen Betrieb für Kartoffelbearbeitung und -vertrieb. In der Zeit vom 26. Juli 1999 bis 13. August 1999 erfolgte eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1999. Infolge der Prüfung kam es zu einem Haftungs- und Nachforderungsbescheid für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von gesamt 257.539,26 DM (= 131.677,73 EUR). Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren sind hiervon insgesamt 72.686,04 EUR (Lohnsteuern in Höhe von 63.045,87 EUR, Kirchensteuer 4.911,73 EUR und Solidaritätszuschlag 4.728,44 EUR) für gezahlte Entgelte an die Frauen … und … streitig.
Die Klägerin stellt dar, dass die beiden Frauen 1995 und 1996 aufgrund mündlicher Verträge als freie Mitarbeiterinnen und selbstständige Beraterinnen für das befristete Projekt „Umorganisation der Finanzbuchhaltung von DATEV auf das EDV-System der Fa. …” beschäftigt worden seien (wobei seitens der Klägerin davon ausgegangen wird, dass Frau … in der Zeit, in der sie tätig wurde, Arbeitnehmerin der Frau … – ihrer Mutter – war). Bei der Umorganisation der Finanzbuchhaltung sei es erforderlich gewesen, die vorhandenen Konten im System neu anzulegen, die Daten aus dem alten in das neue System einzuspeisen, die aktenmäßige Buchführung komplett umzugestalten und eine neue Sortierung von rund 200 Aktenordnern vorzunehmen. Darüber hinaus sollte zur besseren Kontrolle der Verarbeitungs- und Vertriebswege ein Warenwirtschaftssystem mit gesonderter Aktenführung und elektronischer Warenbestandsverwaltung eingeführt werden. Die Frauen seien zur Erfüllung des gestellten Aufgabenzieles im wesentlichen frei gewesen, ihre Tätigkeit zu gestalten und ihre Arbeitszeit einzuteilen. Arbeits- oder Anwesenheitszeiten seien nicht vorgegeben worden. Die Nutzung der Büroräume der Klägerin ergebe sich dadurch, dass die umzuorganisierenden Unterlagen sich in diesen Büroräumen befanden oder verbleiben mussten. Den Frauen habe ein eigenes Bürozimmer zur Verfügung gestanden, zu dem sie die ausschließliche Schlüsselgewalt hatten und selbst der Geschäftsführer keinen Zutritt hatte. Nach Angaben der Klägerin sei vereinbart worden, dass Frau … ihre Vergütung nach Rechnungslegung unter Umsatzsteuerausweis erhält und eigenverantwortlich versteuert. Es sei eine Pauschalhonorarvereinbarung in Höhe von 10.000 DM pro Monat zuzüglich Umsatzsteuer getroffen worden. Ein Anspruch auf bezahlten Urlaub habe nicht bestanden.
In der Schlussphase ihrer Beauftragung hätten die Frauen … zudem andere so genannte „kaufmännische Tätigkeiten” für die Klägerin erbracht, für die ein Stundensatz in Höhe von 30 DM zuzüglich Umsatzsteuer gesondert abgerechnet worden sei.
Darüber hinaus sei für einen relativ kurzen Zeitraum im Jahr 1996 (20. Mai – 16. Juli 1996) Frau … vorübergehend Prokura zur Abwicklung von Altverbindlichkeiten der Klägerin durch Fehlverhalten des vorherigen Geschäftsführers … erteilt worden. Hintergrund dieses Auftrags sei ein Engpass der Klägerin und die zu diesem Zeitpunkt häufigen Auslandsreisen nach … und … des damaligen Geschäftsführers … gewesen.
Aufgrund der geographischen Lage des Betriebs und zur Motivation von Frau … sei zudem ein Hotelzimmer zur Verfügung gestellt worden. Nach Ansicht der Kl...