rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug von Unterhaltszahlungen an den ehemaligen Ehegatten im Weg des Realsplittings: Tatsächlicher Sonderausgabenabzug im Einkommensteuerbescheid des Unterhaltszahlers als im Hinblick auf die Besteuerung beim Empfänger rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Unterhaltszahlungen an den getrennt lebenden bzw. geschiedenen Ehegatten, hinsichtlich deren einkommensteuerrechtlicher Behandlung Realsplittung vereinbart worden ist, werden erst dann zu einkommensteuerrechtlich relevanten Einnahmen beim Empfänger, wenn die Beträge beim Geber unter Vorlage der Anlage U als Sonderausgabe i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht und vom FA bei dessen Einkommensteuer-Veranlagung auch einkommensteuermindernd berücksichtigt worden sind.
2. Sie dürfen frühestens zu diesem Zeitpunkt bei der Einkommensteuer-Veranlagung des Empfängers als sonstige Einkünfte i. S. v. § 22 Nr. 1a EStG angesetzt werden. Ist der Empfänger zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt, so ist dessen Einkommensteuer-Veranlagung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern (Anschluss an FG Hamburg, Urteil v. 13.6.1995, III 170/93, EFG 1995, 894; FG Münster, Urteil v. 12.4.2000, 8 K 3457/96 E, EFG 2000, 1002; Abgrenzung vom BFH, Urteil v. 9.12.2009, X R 49/07).
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG 2007 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommensteuerbescheid 2007 zum Zeitpunkt seiner Änderung gestützt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen eines rückwirkenden Ereignisses noch änderbar war.
Am 17. Juli 2009 ging beim Beklagten die Einkommensteuererklärung der Klägerin ein. Den Angaben zufolge ist die Klägerin seit dem 20. September 2007 geschieden. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß einzeln zur Einkommensteuer mit Bescheid vom 25. September 2008. Festgesetzt wurden ausgehend von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit 0 EUR.
Laut der in der Akte befindlichen Protokollabschrift über eine nichtöffentliche Sitzung des Amtsgerichts in der Familiensache der Klägerin und des früheren Ehemannes (Az. 5 F 739/06 S) vom 20. September 2007 haben sich die Klägerin und ihr ehemaliger Ehemann u.a. dahingehend verglichen, dass dieser ihr binnen 8 Wochen ab Rechtskraft der Scheidung 10.000 EUR zahlt. Die Ehe wurde sodann rechtskräftig geschieden.
Die Anlage U für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zur Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wurde von der Klägerin und ihrem früheren Ehemann am 10. Februar 2010 unterzeichnet. Die Anlage ging bei dem für die Veranlagung des früheren Ehemannes der Klägerin zuständigen Bearbeiters laut Aktenlage am 12. Februar 2010 ein. Die Unterhaltsleistungen betragen danach 10.000 EUR. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks der für die Bearbeitung der Klägerin zuständigen Bearbeiterin hat diese die Anlage am 3. November 2015 erhalten.
Zuvor war zwischen dem früheren Ehemann der Klägerin und dem Beklagten ein Rechtsbehelf anhängig, in dem darüber gestritten wurde, ob die Berücksichtigung der 10.000 EUR als Sonderausgaben in Betracht kommt. Nachdem zunächst festgestellt wurde, dass es sich tatsächlich um Unterhaltsleistungen oder nicht etwa um den Zugewinnausgleich handelte und nachdem die tatsächliche Zahlung nachgewiesen wurde, erfolgte eine Berücksichtigung als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem Rechtsbehelf wurde abgeholfen und gegenüber dem früheren Ehemann der Klägerin am 15. September 2015 ein Änderungsbescheid erlassen.
Diesen Vorgang nahm der Beklagte zum Anlass, mit Bescheid vom 26. November 2015 gestützt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für 2007 zu ändern, die erhaltenen Einkünfte als Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG zu besteuern und die Einkommensteuer auf 740 EUR festzusetzen.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 legte die Klägerin Einspruch dagegen ein, den sie damit begründete dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Denn die Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum sog. Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) stelle ein rückwirkendes Ereignis dar. Die Zustimmung sei spätestens am 10. Februar 2010 erteilt worden, weshalb die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2010 begonnen und nach Ablauf von vier Jahren am 31. Dezember 2014 geendet habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. April 2016 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Am 25. Mai 2016 wurde Klage erhoben.
Die Klägerin meint, der Bescheid sei nichtig, da die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Unstrittig sei die Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum Realsplitting nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ein rückwirkendes Ereignis. Die Zustimm...