Entscheidungsstichwort (Thema)
Organisatorische Eingliederung in der umsatzsteuerlichen Organschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Hält eine GmbH als Muttergesellschaft 51 % der Anteile der Tochter-GmbH und die übrigen Anteile der Geschäftsführer der Tochter-GmbH, der zugleich Prokurist der Muttergesellschaft ist, liegt aufgrund fehlender organisatorischer Eingliederung keine umsatzsteuerliche Organschaft vor, wenn die Mutter-GmH über keine institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Tochter-GmbH verfügt und keine Möglichkeit der Willensbildung bei der Geschäftsführung der Tochter-GmbH besteht.
2. Die Abrede der Tochter-GmbH Weisungen erteilen zu können, begründet keine organisatorische Eingliederung, wenn die tatsächliche Ausführung aufgrund fehlender Möglichkeit die Geschäftsführung anzuweisen, nicht sichergestellt ist.
3. Auch wenn der Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter der Tochter-GmbH bei der Beschlussfassung über seine Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund über kein Stimmrecht verfügt, führt das nicht dazu, dass die mehrheitsbeteiligte Mutter-GmbH eine von ihrem Willen abweichende tatsächliche laufende Geschäftsführung verhindern kann, wenn aufgrund einer Zwei-Mann-GmbH duch die Abberufung eine Pattsituation hinsichtlich der Person des Geschäftsführers der etwaigen Organgesellschaft entsteht.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1; HGB § 49; GmbHG § 53 Abs. 2 S. 1, § 47 Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der m GmbH mit Sitz in B. als Organträgerin in der Zeit vom 01. August 1997 bis 30. Juni 1999. Geschäftsführer der m GmbH waren B F und H H.
Die Klägerin ist eine am 21. Juli 1997 gegründete GmbH. Am Stammkapital der Klägerin waren die m GmbH zu 51 v.H. und R H zu 49 v.H. beteiligt. R H war und ist zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin war unter § 6 u.a. bestimmt:
„6.2. Gesellschafterbeschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht nach diesem Vertrag oder zwingenden gesetzlichen Regelungen eine andere Mehrheit oder die Drei-Viertel-Mehrheit erforderlich ist. Bei Beschlüssen über die folgenden Angelegenheiten ist die Einfach-Mehrheit aller vorhandenen Stimmen erforderlich:
- jede Änderung dieses Gesellschaftsvertrags, insbesondere auch die Erhöhung des Stammkapitals;
- die Aufnahme eines oder mehrerer weiterer Gesellschafter(s) …
6.3. Folgende Geschäfte bedürfen der Zustimmung der Gründungsgesellschafter:
- die Liquidation der Gesellschaft;
- die Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern;
- der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit der Geschäftsführung sowie
- die Beteiligung eines Gesellschafters an anderen gleichartigen Unternehmen.
6.4. Jede volle 100,– DM eines Gesellschaftsanteils gewähren eine Stimme.”
Unter Textziffer 12.3. war im Gesellschaftsvertrag u.a. bestimmt: „… sollte sich in dem Vertrag eine Lücke herausstellen, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Regelungen nicht berührt werden. Anstelle der unwirksamen Regelung oder zur Ausfüllung der Lücke soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit nur rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsschließenden gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrags gewollt haben würden, falls sie den Punkt bedacht hätten. …”
Am Tage der Gründung der Klägerin schlossen diese und die m GmbH einen Gewinnabführungsvertrag, der nicht notariell beurkundet wurde. Am 08. August 1997 hielten die m GmbH und R H eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ab, die dort abgegebenen Erklärungen wurden notariell beurkundet. Vereinbart wurde u.a.:
„Die m GmbH i.G. führt ihre Geschäfte nach den Weisungen der m GmbH.
Die m GmbH führt einen pauschalen Gewinnanteil von zunächst monatlich DM 10.000,– beginnend mit dem 01. September 1997 an die m GmbH ab. … Die m GmbH übernimmt ihrerseits einen etwaigen Verlust in Höhe von 51 % der m GmbH i.G.; § 302 AktG findet entsprechende Anwendung. … Die m GmbH i.G. kann mit Zustimmung der m GmbH in ihrer Handelsbilanz freie Rücklagen bilden, soweit dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. … Der Vertrag gilt mit Wirkung vom 01.8.1997 …”
Der Gewinnabführungsvertrag wurde nicht in das Handelsregister eingetragen.
Am 01. Dezember 1997 vereinbarten die Klägerin und die m GmbH, dass die Klägerin letzterer montags den nach Handel und Service getrennten Umsatz und den Wareneinkauf der vergangenen Woche sowie ihre Kontostände melde.
Am 28. November 1997 vereinbarten die m GmbH und die Klägerin eine einheitliche Gestaltungsrichtlinie.
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