Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung. Hemmung. Fahndungsprüfung. Umsatzsteuer 1996
Leitsatz (redaktionell)
Die Grundsätze über die Hemmung der Verjährung durch eine Fahndungsprüfung gelten nicht nur zugunsten des Finanzamtes, sondern auch zugunsten des geprüften Steuerpflichtigen. Gehemmt werden auch Fristen, die bei Prüfungsbeginn noch nicht angelaufen waren, auf die sich aber – nach deren Anlauf – die Prüfung erstreckt.
Normenkette
AO § 171 Abs. 5
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin zur Umsatzsteuer 1996 zu veranlagen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger Sicherheit leistet.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Anstalt liechtensteiner Rechts (Sitz: V), wurde 1979 mit einem Anstaltskapital von 30.000 SFr gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens sind Handels- und Finanzgeschäfte aller Art. Repräsentant ist G O, N, Liechtenstein (Bl. 6). Es handelt sich um eine sog. „Domizilgesellschaft”, die nur außerhalb Liechtensteins einer aktiven Geschäftstätigkeit nachgeht.
Die Klägerin hat im Erhebungsgebiet von 1992 bis 1996 Lieferungen an die X GmbH, S (SWD) und deren Schwestergesellschaft, die Y GmbH, H (SBN) mit einem Auftragsvolumen von über 16 Millionen DM ausgeführt. Für Zwecke der Umsatzsteuer wurde sie für die Veranlagungszeiträume 1992 bis 1996 beim Beklagten steuerlich geführt, der die Veranlagungen 1992 bis 1995 durchgeführt hat. Am 29. August 1996 hat bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung begonnen, die bis 2001 angedauert hat.
Die Umatzsteuererklärung 1996 wurde während der Fahndungsprüfung am 22. Juni 1998 beim Beklagten eingereicht. Sie wies einen Vorsteuersteuerüberschuss i.H.v. 128.927,90 DM aus, der sich aus nachträglich berechneten Vorsteuerbeträgen ergab (insbesondere aus der von der Steuerfahndung ermittelten Provisionszahlung an den Geschäftsführer der SWD, Herrn K). Mit Schreiben vom 10. März 1999 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Veranlagung durchzuführen oder Hinderungsgründe mitzuteilen. Mit Schreiben vom 16. März 1999 teilte der Beklagte mit, dass die Veranlagung von den Feststellungen der Steuerfahndung abhängig sei (USt 1996).
Am 27. Dezember 2002 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage (1 K 000/00), die am 21. Februar 2003 wegen fehlenden Vorverfahrens zurückgenommen wurde. Daraufhin legte die Klägerin am 20. März 2003 Untätigkeitseinspruch ein, den der Beklagte am 17. Juli 2003 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist abwies.
Am 20. August 2004 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuerveranlagung 1996 durchzuführen.
Strittig sei allein, ob durch die Prüfungshandlungen der Steuerfahndung eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO für die Umsatzsteuer 1996 eingetreten sei. Der Umfang der Ablaufhemmung werde durch die tatsächlichen Prüfungshandlungen bestimmt. Es komme darauf an, auf welche Ansprüche sich die Prüfung während ihres Verlaufs tatsächlich erstreckt habe. Der Fristablauf werde nur insoweit gehemmt, als die Ergebnisse der Ermittlungen sich auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirken würden (BFH vom 24. April 2002, BStBl. II 2002, 586; BFH vom 13. Februar 2003, BFH/NV 2003, 740).
Zur Festsetzung der Umsatzsteuer 1996 seien die Feststellungen der Steuerfahndung ausschlaggebend gewesen (Provisionen an K, Unternehmereigenschaft der Klägerin, Bl. 5). Bereits der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts S vom 5. August 1996 schließe das Auffinden von Unterlagen über „Rechtsverhältnisse” der Klägerin ein (z.B. die Feststellung der Unternehmereigenschaft). Die Steuerfahndung habe auch entsprechende Ermittlungen durchgeführt (Schreiben vom 3. Juni 1996 an die Informationszentrale Ausland des Bundesamtes für Finanzen – IZA –). In ihrer Antwort vom 6. August 1996 habe die IZA die Ansicht vertreten, dass die Klägerin als Domizilgesellschaft nicht unternehmerfähig sei. Die Steuerfahndung habe sich dieser Auffassung zunächst angeschlossen und habe den Beklagten entsprechend informiert (Bl. 3).
Als Konsequenz der Auffassung, die Klägerin könne kein Umsatzsteuersubjekt sein, sollten in einem Betriebsprüfungsverfahren bei der SWD, die von der Klägerin berechneten Vorsteuerbeträge gekürzt werden. Aufgrund der umfangreichen Lieferungen sowie aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte zur Unternehmereigenschaft von Domizilgesellschaften und bei „Strohmanngeschäften”, habe man diese Auffassung aber aufgegeben und den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen der Klägerin an SWD anerkannt.
Die Klägerin habe mit Schreiben vom 22. Januar 1997 ausgiebig zu den von der Fahndung aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Darüber hinaus sei die Steuerfahndung darauf hingewiesen worden, dass die von der Klägerin an K gezahlten Provisionen umsatzsteuerpflichtig seien. Die aus diesen Provisionen ...