Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Gewinn des Jahres 1978 geändert werden durfte. Die Klägerin ist Formkaufmann und ermittelt seit 1948 ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Am 7. Februar 1989 erklärte sie gegenüber dem Beklagten unter anderem für die Jahre 1948 bis 1977 bisher nicht aktivierte Teile des Vorratsvermögens im Wege der Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung – AO.
Die Gewinnfeststellungen der Kalenderjahre 1948 bis 1977 konnten nicht mehr geändert werden, da die Festsetzungsverjährung zwischenzeitlich abgelaufen war
Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 20. Juni 1989 einen geänderten Feststellungsbescheid für 1978. Der Gewinnermittlung wurde das um die bisher nicht erfaßten Bestände am Schluß des Wirtschaftsjahres erhöhte Betriebsvermögen 1978 als Endvermögen zugrundegelegt. Die Bestandserhöhungen 1948 bis 1977 beliefen sich insgesamt auf 2.369.336,– DM. Als Anfangsvermögen des Jahres 1978 wurde das der Gewinnfeststellung 1977 zugrundeliegende Endvermögen angesetzt
Während des Einspruchsverfahrens wurde die Gewinnverteilung für das Streitjahr mit Bescheid vom 4. Mai 1992 geändert. Die Höhe des für 1978 festgestellten Gewinns aus Gewerbebetrieb … sowie die Zurechnung der Gewinnanteile an die einzelnen Gesellschafter sind rechnerisch unstreitig.
Die Klägerin hält den Feststellungsbescheid für rechtswidrig. Der Feststellung für 1978 sei das materiell-rechtlich richtige Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres 1977 zugrundezulegen. Der vom Beklagten vertretenen Auffassung, der formelle Bilanzenzusammenhang sei zu wahren, könne nicht gefolgt werden Dies ergäbe sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch könne dies dem Gesetz durch Auslegung entnommen werden. Die Ansicht führe zur Beseitigung der Verjährungswirkung und verkenne, daß nur Steueransprüche, nicht aber auch die Besteuerungsgrundlagen, der Verjährung unterlägen.
Die Klägerin beantragt,
den Gewinnfeststellungsbescheid für 1978 vom 20. Juni 1989 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 4. Mai 1992 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 1993 abzuändern und den Gewinn 1978 mit 3.005.607,– DM festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung,
Er sei trotz überzeugender Argumente in der Literatur gegen die Anwendung der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs an die Einkommensteuerrichtlinien, dort Abschn. 15 Abs. 1 Satz 4, gebunden.
Entscheidungsgründe
Die Sache ist entscheidungsreif. Die Gesellschafter der Klägerin brauchen im Klageverfahren nicht mehr beigeladen zu werden, da ausschließlich die Höhe des festzustellenden Gewinns und nicht dessen anteilige Zurechnung auf die einzelnen Gesellschafter streitig ist (vgl. § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – i. V. m. § 48 FGO aF).
Die Klage ist begründet.
Die durch das zu niedrig deklarierte Vorratsvermögen zu Unrecht geminderten Gewinne der Jahre 1948 bis 1977 durften nicht mit steuerlicher Wirkung im Jahre 1978 erfaßt werden. Sie hätten jeweils nur in den vor 1978 liegenden Jahren erfaßt werden dürfen.
Unerheblich ist, daß dies wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich ist (vgl. insofern auch das BFH-Urteil vom 22. Juni 1995 IV R 26/94, Bundessteuerblatt – BStBl – 1995 II, 575, das zu Recht eine Verlängerung der steuerlichen Festsetzungsfrist mit Hilfe der Rechtsfigur des strafrechtlichen Fortsetzungszusammenhangs für den Bereich der Steuerhinterziehung ablehnt).
Der Bundesfinanzhof vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß, falls eine Bilanz-Berichtigung an der Fehlerquelle nicht möglich sei, der Fehler in der Schlußbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch berichtigt werden kann, zu korrigieren ist, wobei an die der letzten nicht mehr änderbaren Vorjahresbesteuerung zugrundegelegten Veranlagungsbilanz (formeller Bilanzenzusammenhang) anzuknüpfen ist (seit Beschluß des großen Senats vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BStBl 1966, III, 142, 143, Urteil vom 27. März 1962 I 136/60 S, BStBl 1962 III, 273, 275, Urteil vom 25. April 1990 I R 78/85 BFH/NV 1990, 630; weitere Nachweise, auch zu Teilender Literatur, die dieser ständigen Rechtsprechung folgt, bei Schmidt, EStG Kommentar, 14. Auflage 1995, § 4 Anm. 139 bis 143).
Der Senat folgt nicht der ständigen BFH-Rechtssprechung welche lediglich die Schlußbilanz des ersten noch änderbaren Veranlagungszeitraums ändert, ohne den nach materiellem Steuerrecht richtigen Wert des betreffenden Wirtschaftsgutes in der Anfangsbilanz des ersten noch änderbaren Veranlagungszeitraums zugrundezulegen. Eine derartige Handhabung verstößt nämlich gegen den Grundsatz, daß verjährte Steuerforderungen nicht mehr festgesetzt werden dürfen. Dieses verjährungsbedingte Festsetzungsverbot wird dadurch unterlaufen, daß ein Bilanzierungsfehler, den der Steuerpflichtige gewinnmindernd schon vor Jahrzehnten gemacht hat, über diesen ganzen Zeitraum hinweg in die Anfangsbilanz des ersten noch änderbaren Jahres „hinwegtransportiert” wird und hierd...