Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit: Veräußerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks
Leitsatz (redaktionell)
Die aus der Veräußerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks resultierende Einkommensteuer führt auch unter Geltung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur insoweit zu Massekosten, als der Veräußerungserlös zur Masse gelangt (vgl. BFH-Rspr. zu § 58 Nr.2 KO).
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; KO § 58 Nr. 2
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Eheleute B und C. Über das Vermögen der Eheleute (im Folgenden: Steuerpflichtige) wurde mit Beschlüssen des Amtsgerichts Z-Stadt am 16.3.2006 in den Verfahren 38 IN 38/05 (Klägerin) und 38 IN 82/05 (Kläger) das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Steuerpflichtige betrieb bis 2005 einen Gartenbaubetrieb, zu dessen Betriebsvermögen u.a. ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück in Y-Stadt, gehörte, das zugunsten von Banken belastet war. Während der Steuerpflichtige in seinem Betrieb Zierpflanzen züchtete, widmete sich die Steuerpflichtige in ihrem Unternehmen dem Handel mit diesen Pflanzen. Ausweislich der Gutachten des Klägers vom 10.3.2006 waren die Steuerpflichtigen zahlungsunfähig. Der Kläger veräußerte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 8.9.2006 (UR 1683/2006) zu einem Preis von 155.000 EUR. Der Insolvenzmasse flossen aus diesem Verkauf am 15.1.2007 5.394 EUR zu. Nach den Feststellungen des Finanzamtes wurde das Grundstück mit einem Buchwert von 77 EUR in der Bilanz des Betriebes geführt. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärung für 2006 durch den Kläger schätzte der Beklagte einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Grundstücks unter Berücksichtigung eines Gewinns aus der Veräußerung von beweglichen Wirtschaftsgütern in Höhe von 10.000 EUR mit insgesamt 164.923 EUR. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 29 GA). Mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 7.9.2009 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger unter Berücksichtigung des geschätzten Veräußerungsgewinnes Einkommensteuer in Höhe von 19.020 EUR für 2006 fest. Der Kläger erhob am 22.9.2009 Einspruch. Er trug im Wesentlichen vor, die Schätzungen seien ermessensfehlerhaft. Bereits zum früheren Konkursrecht habe der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 29.3.1984 entschieden, dass die Einkommensteuer, die auf den Veräußerungsgewinn entfalle, der aus einer Veräußerung von Vermögensgegenständen nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter resultiere, nur insoweit zu den Massekosten gehöre, als der Veräußerungserlös zur Masse gelange. Diese Entscheidung sei auf die Insolvenzordnung übertragbar. Aus der Veräußerung des Grundstückes sei daher für 2006 kein Gewinn anzusetzen und für 2007 lediglich der zur Masse gelangte Betrag in Höhe von 5.394 EUR.
Mit Einspruchsentscheidung vom 4.10.2010 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Er führte aus, zu den Masseverbindlichkeiten gehörten nach § 55 Abs. 1 InsO unter anderem auch solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Diese Voraussetzungen lägen vor, weil die Einkommensteuerschuld 2006 durch die Verwertung des zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstückes begründet wurde. Die durch den Veräußerungsgewinn entstandene Einkommensteuer sei daher in vollem Umfange eine Masseforderung. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.3.1984 sei zur früheren Konkursordnung ergangen und nicht auf die Insolvenzordnung übertragbar. Dies ergäbe sich daraus, dass die maßgebliche Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO anders als die frühere Vorschrift des § 58 Nr.2 KO, nämlich weitreichender formuliert sei. Nach § 58 Nr.2 KO seien Massekosten die Ausgaben für die Verwaltung, Verteilung und Verwertung der Masse. Diese Vorschrift verlange daher einen direkten Zusammenhang der Kosten mit der Verwaltung, Verteilung und Verwertung. Demgegenüber reiche auf Grund der Formulierung in § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO ein wie auch immer gearteter Zusammenhang aus, weil hiernach Masseverbindlichkeiten solche Verbindlichkeiten seien, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung begründet würden. Den §§ 35, 55 InsO könne nicht entnommen werden, dass die Zuordnung einer Steuerschuld zu den Masseverbindlichkeiten von der Höhe der tatsächlich zugeflossenen Mittel abhängig sei. Dies entspräche auch der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Dieser habe in einem Urteil vom 18.5.2010 entschieden, dass Einkommensteuerschulden, die auf einem mitunternehmerischen Gewinnanteil beruhen, auch dann zu den Masseverbindlichkeiten gehören, wenn der Insolvenzmasse durch den Gewinnanteil kein Wert zugeflossen sei.
Hiergegen richtet sich di...