Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung im Falle einer Betriebsveräußerung gegen Ratenzahlung nur bei langfristiger Versorgung
Leitsatz (redaktionell)
- Das im Fall der Betriebsveräußerung gegen Ratenzahlung bestehende Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussversteuerung kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn eine vererbliche und besicherte und daher nicht wagnisbehaftete Zeitrente mit einer Laufzeit von 10 Jahren vereinbart wird, die überdies unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung nicht geeignet ist, eine ausreichende Altersversorgung des Steuerpflichtigen sicherzustellen.
- Die Zahlungen sind in diesem Fall als verrentete Kaufpreisraten einzuordnen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1, §§ 16, 34; EStR 1997 R. 139 Abs. 11; EStH 1997 H. 139 Abs. 11
Streitjahr(e)
1997
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger anlässlich der Veräußerung seines Unternehmens das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung zusteht.
Die Kläger wurden im Streitjahr 1997 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer beim Beklagten – dem Finanzamt „S-Stadt” – veranlagt. Der Kläger war Inhaber des Einzelunternehmens „C-Firma” in „S-Stadt”. Der Kläger war verpflichtet, auf Grund des Erwerbs des Unternehmens im Jahre 1975 an Frau „F” eine lebenslängliche Rente i.H.v. jährlich 32.473,00 DM zu zahlen. Der Kläger versuchte im Vorfeld der geplanten Veräußerung des Unternehmens, die gegenüber Frau „F” bestehende Rentenverpflichtung durch einen Einmalbetrag abzulösen. Dies wurde jedoch von der Rentenberechtigten abgelehnt. Mit notariellem Unternehmenskaufvertrag vom 29. August 1997 veräußerte der Kläger dann sein Einzelunternehmen an Herrn „X” als Käufer. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 67 Jahre, seine Ehefrau 63 Jahre alt. Der Kaufpreis betrug 800.000,00 DM. Ein Teilbetrag i.H.v. 400.000,00 DM war in bar bis zum 15. September 1997 zu zahlen. Der verbleibenden Restbetrag i.H.v. weiteren 400.000,00 DM war auf Rentenbasis mit einer Laufzeit von 10 Jahren an den Kläger zu zahlen. Zur Absicherung des Restkaufpreises schloss der Erwerber auf sein Leben eine Risikolebensversicherung über 200.000,00 DM zu Gunsten des Klägers ab und brachte für die übrigen 200.000,00 DM eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank bei.
In seiner für das Streitjahr 1997 eingereichten Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger in Zeile 15 der Anlage GSE (Kennziffer 21.30) einen Veräußerungsgewinn nach § 16 Einkommensteuergesetz – EStG – i.H.v. 129.662,00 DM. Der Beklagte veranlagte mit Einkommensteuerbescheid vom 26. August 1998 erklärungsgemäß. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Vom 29. September 1999 bis 25. November 1999 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung durch den Beklagten statt. Nach Auffassung der Betriebsprüferin stand hinsichtlich der im Vertrag vom 29. August 1997 vereinbarten Zeitrente dem Kläger kein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung gemäß R 139 (11) EStR zu. Denn ein Wahlrecht zwischen einer tarifbegünstigten Sofortbesteuerung eines Veräußerungsgewinns und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung nachträglicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei einer Zeitrente sei nur dann möglich, wenn die Zeitrente dem Veräußerer langfristig eine Versorgung verschaffe. Der Versorgungscharakter von Zeitrenten sei aber nur dann gegeben, wenn an den Veräußerer monatliche Zahlungen für einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren getätigt würden und durch die sonstige Ausgestaltung des Vertrages eindeutig die Absicht des Veräußerers zur Versorgung zum Ausdruck komme. Beide Merkmale lägen aber im Fall des Klägers nicht vor. Der Versorgungsgedanke komme in dem Vertragswerk nicht zum Ausdruck. Da zudem die andere Hälfte des Kaufpreises i.H.v. 400.000,00 DM laut Vertrag auf Rentenbasis über einen Zeitraum von 10 Jahren abgetragen werden solle, handele es sich vielmehr um Kaufpreisraten. Die Prüferin ermittelte daher den Veräußerungsgewinn wie folgt:
Einmalzahlung |
400.000,00 DM |
abgezinste Kaufpreisraten |
385.793,00 DM |
Buchwert PKW |
18.032,00 DM |
Zwischensumme |
803.825,00 DM |
abzgl. Kapitalkonto lt. BP |
./. 178.369,00 DM |
Gewerbesteuerrückstellung |
96.816,00 DM |
= Veräußerungsgewinn |
528.640,00 DM |
Der Beklagte erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er den Feststellungen der Betriebsprüferin vollumfänglich folgte.
Die Kläger legten gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, ihnen stehe das Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung im Zeitpunkt der Veräußerung oder einer Versteuerung als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zuflusszeitpunkt zu. Dieses Wahlrecht werde bei Veräußerungsleibrenten eingeräumt. Der Bundesfinanzhof – BFH – führe im Urteil vom 30.Januar 1974 IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452 ausdrücklich aus, dass selbst bei einer Leibrente mit einer Laufzeit von 10 Jahren das Wahlrecht, die Zuflussbesteuerung zu wählen, eröffnet sei. Ausschlaggebend sei hierbei auch eine Besteuerung nach dem Grundsatz der Verhältnismäß...