Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Unterbringung von Arbeitnehmern umsatzsteuerlich als nicht steuerbare Leistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung für eine Grundstücksvermietung ist wirksam, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück in Gestalt der unentgeltlichen (allein auf der Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtung beruhenden) Unterbringung ausländischer Arbeitnehmer in Gemeinschaftsunterkünften zu eigenbetrieblichen Zwecken einsetzt, die keinen steuerbaren Umsatz darstellen.
2. Bei einer derartigen Wohnraumüberlassung liegt in gleicher Weise wie bei einer unentgeltlichen kurzfristigen Unterbringung in Hotels und Gasthöfen keine Verwendung für private Zwecke des Personals vor, wenn sie auf höchstens 2 Jahre befristet ist und nur der durch die betrieblichen Zwecke zusätzlich ausgelöste Wohnbedarf der Arbeitnehmer befriedigt wird.
3. Die Entgeltlichkeitsfiktion des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG ist mit Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie unvereinbar, da diese keine derartige Beschränkung des Vorsteuerabzugs enthält.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 9a, § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2 Buchst. a; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998, 1999
Tatbestand
Der Kläger errichtete auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück A-Str. in B ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen, die jeweils über zwei bis drei Zimmer verfügen. Vom 01.09.1999 an vermietete er die in dem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnungen zum Preis von monatlich 34.200,-- DM zuzüglich 5.472 DM Umsatzsteuer an das C mbH, Zweigniederlassung D (C GmbH), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist.
Die Vermietung erfolgte zum Zwecke der Unterbringung der Arbeitnehmer der C GmbH. Das Bauunternehmen hatte schon damals - wie auch heute noch, insbesondere als Hauptauftragnehmerin der E für Untertagearbeiten - verschiedene Werkaufträge im Umkreis von B zu erfüllen. Zu diesem Zweck beschäftigte die C GmbH im Ausland wohnhafte Arbeitnehmer, die - auf Betreiben der Arbeitgeberin -Arbeitserlaubnisse und Aufenthaltsgenehmigungen erhielten, die an die jeweiligen Bauvorhaben gebunden waren und sich dementsprechend teilweise auf nur einige Monate, längstens aber auf zwei Jahre erstreckten. Aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarung war die C GmbH verpflichtet, die Arbeitnehmer für die Dauer ihres inländischen Aufenthaltes unentgeltlich unterzubringen. Nachdem das Bauunternehmen in der Vergangenheit das „F-Heim” der Firma G angemietet hatte, entschloss sich der Kläger schließlich dazu, in B eine eigene Unterbringungsstätte zu errichten und den ausländischen Arbeitnehmern der C GmbH als Unterkunft zur Verfügung zu stellen. In den Streitjahren lebten insgesamt 57 Arbeitskräfte in dem Haus, so dass jedes Zimmer von jeweils zwei bis drei Personen bewohnt wurde.
Im März 2000 fand bei dem Kläger - ebenso wie bei der C GmbH - eine Umsatzsteuersonderprüfung zur Überprüfung der Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Gebäude A-Str. in B statt. Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass die Vorsteuern aus der Anschaffung des Grund und Bodens und aus der Herstellung des Gebäudes nicht abzugsfähig seien. Der Kläger erbringe an die C GmbH eine nach § 4 Nr. 12 a des Umsatzsteuergesetzes -UStG- steuerfreie Vermietungsleistung, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausschließe. Der vom Kläger ausgesprochene Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 2 UStG entfalte keine Wirkung, weil die Mieterin das Grundstück für Zwecke verwende, die den Vorsteuerabzug ausschlössen. Denn die C GmbH erbringe mit der Überlassung der Wohnungen an ihre Arbeitnehmer eine steuerbare und nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Leistung; der Vorgang sei deshalb steuerbar, weil der betriebliche Zweck der Wohnungsüberlassung durch die privaten Belange - die Befriedigung des im Inland entstandenen zusätzlichen privaten Wohnbedarfs der Arbeitnehmer - überlagert werde. Zudem schulde der Kläger die seit September 1999 gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG, weil der Steuerausweis mangels wirksamer Option unberechtigt erfolgt sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen und der steuerlichen Auswirkungen wird auf den Prüfungsbericht vom 20. 03. 2000 Bezug genommen.
Der Beklagte schloss sich dem Prüfungsergebnis an und erließ am 30.03.2000 Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1998 über 0 DM sowie am 23.03.2000 Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 10/ und 12/1999, letztere am 29.08.2001 ersetzt durch einen entsprechenden Jahresbescheid zur Umsatzsteuer 1999 über 21.888 DM.
In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren gewährte der Beklagte dem Kläger, der die Einspruchsfrist versäumt hatte, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wies aber die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Vorsteuerabzug stehe dem Kläger nicht zu, weil die Leistungsempfängerin C GmbH mit der Wohnungsüberlassung an ihre Arbeitnehmer eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ...