Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnungsbestimmungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG 2008
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung betrifft das zuvor unter dem Aktenzeichen 1 K 138/10 geführte Verfahren, in dem der Senat mit Beschluss vom 29.02.2012 (EFG 2012, 960, DStRE 2012, 478) die Hinzurechnungsbestimmungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 und des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20.12.2007 dem BVerfG zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 15.02.2016 die Unzulässigkeit der Vorlage festgestellt (1 BvL 8/12, DStR 2016, 862).
2. Der Senat legt die genannten Bestimmungen nicht (erneut) dem BVerfG zur Entscheidung über ihre Verfassungsmäßigkeit vor.
3. Im Hinblick auf die nach dem Vorlagebeschluss vom 29.02.2012 ergangene Rechtsprechung des 1. Senates des BFH sowie die Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom 15.02.2016 ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmungen überzeugt.
4. Auch wenn grundsätzlich Hinzurechnungen zur herkömmlichen Ausgestaltung der verfassungsrechtlich zulässigen Gewerbesteuer gehören, handelt es sich bei den einzelnen Hinzurechnungsbestimmungen um Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes mit einer engeren Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insbesondere solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit. Sie können daher vom Gesetzgeber nicht beliebig gestaltet werden.
5. Für die Überprüfung der einzelnen Hinzurechnungsvorschriften ist ein Maßstab zugrunde zu legen, der dem Prinzip einer ertragsorientierten Objektsteuer entspricht. Dieser Maßstab ist noch zu entwickeln.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e; GG Art. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie von Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Rahmen der Gewerbesteuer.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH Tankstellen mit Shop und Waschstraße. Die zum Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen pachtete sie entgeltlich von der A GmbH. Im Jahr 2008 entstanden der Klägerin (bei der Ermittlung des Gewinns als Betriebsausgaben abgesetzte) Entgelte für Schulden in Höhe von insgesamt ... € sowie für die Miete/Pacht von beweglichen Wirtschaftsgütern, die im Eigentum eines anderen standen, Aufwendungen in Höhe von insgesamt ... € und für die Miete/Pacht von unbeweglichen Wirtschaftsgütern, die im Eigentum eines anderen standen, Aufwendungen in Höhe von insgesamt ... €. Die Pachten bezogen sich auf Wirtschaftsgüter, die für den Fall, dass sie im Eigentum der Klägerin gestanden hätten, deren Anlagevermögen zuzurechnen gewesen wären.
Die Klägerin ermittelte in ihrer Körperschaftsteuererklärung 2008 ein zu versteuerndes Einkommen von ... € und erklärte in ihrer Gewerbesteuererklärung 2008 bei den Hinzurechnungsbeträgen neben den Entgelten für Schulden die Aufwendungen für die Benutzung fremder beweglicher und unbeweglicher Betriebsanlagegüter. Der Beklagte erließ am 09.10.2009 erklärungsgemäß einen Gewerbesteuermessbescheid für 2008, mit dem er den Gewerbesteuermessbetrag auf ... € festsetzte. Den von der Klägerin hiergegen am 02.11.2009 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 09.07.2010 zurück.
Die Klägerin hat am 09.08.2010 Klage erhoben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.02.2012 unter dem damaligen Aktenzeichen 1 K 138/10 (EFG 2012, 960, DStRE 2012, 478) das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt, ob § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (Bundesgesetzblatt Teil I - BGBl I - 2007, 1912) und des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) (im folgenden GewStG) mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sind. Auf den Vorlagebeschluss wird Bezug genommen.
Das BVerfG hat mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senates vom 15.02.2016 die Unzulässigkeit der Vorlage festgestellt (Aktenzeichen 1 BvL 8/12, DStR 2016, 862). Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Hinzurechnung der Pachtzinsen für die Benutzung fremder beweglicher und unbeweglicher Betriebsanlagegüter sei verfassungswidrig. Die Besteuerung verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Hinzurechnung der Pachtzinsen für die wesentlichen Betriebsgrundlagen der Klägerin führe auf Dauer gesehen zu einer realen Existenzgefährdung der Klägerin. Die Gewerbesteuer habe sich im Vergleich zur früheren Rechtslage nahezu verdreifacht und habe erdrosselnde Wirkung. Es liege ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor, der nicht gerechtfertigt sei. Die Hinzurechnung führe zu einer Existenzgefährdung der Klägerin...