Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisevorleistungen und Vorsteuerabzug
Leitsatz (amtlich)
Busbeförderungen kommen den Reisenden auch dann i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG unmittelbar zugute, wenn die Busbeförderungen infolge von Flugunregelmäßigkeiten anstelle der an sich den Reisenden geschuldeten Flugleistungen erbracht werden. Der Reiseveranstalter kann die ihm für eine Reisevorleistung gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abziehen, soweit die Reisevorleistung im Drittlandsgebiet bewirkt wird bzw. als im Drittlandsgebiet bewirkt gilt (obiter dictum).
Normenkette
UStG § 25
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Vorsteuerbeträgen aus in Anspruch genommenen Busbeförderungen.
Die Klägerin ist Reiseveranstalterin. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Veranstaltung und Durchführung von Flug- und Urlaubsreisen aller Art. Zur Durchführung dieser Leistungen nimmt die Klägerin Reisevorleistungen i. S. d. § 25 Abs. 1 UStG in Anspruch und beauftragt fremde Unternehmen mit dem Transport der Reisenden, deren Hotelunterbringung, Verpflegung und Reiseleitung am Urlaubsort.
Die von der Klägerin erbrachten Reiseleistungen sind überwiegend steuerfrei nach § 25 Abs. 2 UStG. In den Streitjahren 2000 und 2001 betrug der Anteil der steuerfreien Umsätze an den Gesamtumsätzen 99,56 % (2000) bzw. 99,67 % (2001):
...
Hinsichtlich der Flugbeförderung ihrer Kunden hat die Klägerin mit einer Reihe von Luftverkehrsunternehmen (LVU) Flugzeug-Bereitstellungs- und Überlassungsrahmenverträge abgeschlossen. Für den Fall von Leistungsstörungen, die die LVU zu vertreten haben, enthalten die Verträge entweder einen kalkulatorischen Preisabschlag auf die Flugpreise oder sehen eine Verpflichtung der LVU vor, für eine Weiterbeförderung der Fluggäste, ihres Gepäcks oder der Fracht zu sorgen und die Klägerin von Leistungsstörungsansprüchen der Fluggäste freizuhalten.
Sind Flüge nicht ausgelastet oder können die LVU wegen besonderer Umstände ein Fluggerät nicht zur Verfügung stellen, so legt die Klägerin gelegentlich Flugstrecken zusammen (sog. Flugkonsolidierung). Buchen Kunden bspw. die Flugstrecke Hamburg-.... (Ausland) -Hamburg und fällt der Flughafen Hamburg aus den vorgenannten Gründen als Start- und/oder Zielflughafen aus, so werden die Kunden mit Fluggästen vom Flughafen Hannover zusammengelegt. In diesen Fällen beauftragt die Klägerin Busunternehmen mit der Beförderung der Kunden von Hamburg nach Hannover und umgekehrt. Gleiches gilt, wenn die gebuchten Flughäfen aufgrund der Wetterverhältnisse oder aufgrund eines zu beachtenden Nachtflugverbots nicht angeflogen werden können; auch in diesen Fällen beauftragt die Klägerin Busunternehmen mit der Beförderung der Kunden von den Ausweichflughäfen zu den gebuchten Flughäfen.
In den Streitjahren stellten die Busunternehmen der Klägerin für die in diesem Zusammenhang erbrachten Beförderungsleistungen Vorsteuern in Höhe von ... Tsd DM (2000) und ... Tsd DM (2001) in Rechnung. Die Klägerin hat die Kosten den LVU nicht in Rechnung gestellt; auch liegen keine Aufzeichnungen darüber vor, ob die Bustransfers aus von der Klägerin oder den LVU zu vertretenden Gründen erfolgt sind.
Mit den Umsatzsteuererklärungen für 2000 und 2001 machte die Klägerin die von ihr an die Busunternehmen geleisteten Vorsteuerbeträge als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend, was der Beklagte zunächst mit Vorbehaltsfestsetzungen nach § 168 AO anerkannte.
Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung änderte der Beklagte seine Rechtsauffassung und versagte den Vorsteuerabzug aus den Busbeförderungsleistungen mit Änderungsbescheiden vom 25.11.2005. Die Busbeförderungen stellten Reisevorleistungen i. S. von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG dar, sodass der Vorsteuerabzug gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG ausgeschlossen sei (vgl. zu den weiteren Einzelheiten Tz. 17 des Bp-Berichts vom 11.07.2005). Die Umsatzsteuer wurde für 2000 in Höhe von -... Mio DM (- ... Mio €) und für 2001 in Höhe von -... Mio DM (-... Mio €) festgesetzt.
Die Klägerin legte gegen die Änderungsbescheide am 16.12.2005 Einspruch ein. Die Busbeförderungen seien keine Reisevorleistungen. Es handele sich um Leistungen im Bereich des Leistungsstörungsrechts. Die Reisenden würden nicht die vertraglich geschuldete Flugleistung, sondern ein Aliud erhalten. So stellten Ersatzbeförderungsleistungen bei Flugunregelmäßigkeiten auch nach der von der Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 07.09.1988 (IV A 2 - S-7419-19/88) dargelegten Rechtsauffassung keine Reisevorleistungen dar. Der Vorsteuerabzug dürfe daher nicht nach § 25 Abs. 4 UStG versagt werden.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22.05.2006 zurück. Die Klägerin erbringe als Reiseveranstalterin gegenüber den Reisenden eine einheitliche sonstige Leistung, die der sog. Margenbesteuerung nach § 25 UStG unterliege. Mit dem besonderen Besteuerungssystem der Margenbesteuerung sei es nicht vereinbar, dem Reiseveranstalter die ihm aus Reisevorleistungen in Rechnung ...