Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH I B 45/13)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer: Inländischer Wohnsitz eines Piloten bei Stand-by-Zimmer in Wohngemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Pilot ein voll möbliertes Stand-by-Zimmer in einer Wohnung mit Küche und Bad angemietet, das ihm zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht, und sucht er dieses Zimmer in Abhängigkeit von seinen Dienstplänen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf, hat er einen Wohnsitz i. S. des § 8 AO begründet und unterliegt der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.

2. Das gilt auch dann, wenn der Pilot das Zimmer nur zum Übernachten und nicht als Ausgangspunkt für Freizeitaktivitäten oder soziale Kontakte nutzt.

 

Normenkette

AO § 8; EStG § 1 Abs. 1, 3-4, § 1a Abs. 1, 3, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in Deutschland in den Streitjahren einen Wohnsitz hatte und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig war.

Der Kläger ist Schweizer Staatsbürger. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die ... und ... geboren wurden. Ihren Familienwohnsitz verlegten der Kläger und seine Ehefrau im Juli 2000 von A (Deutschland) nach B (Schweiz).

Seit 1990 ist der Kläger bei der C AG angestellt. Zunächst war er dort als Flugingenieur - auch auf Flugeinsätzen - tätig. In der Zeit vom 17.11.2002 bis zum 11.05.2005 wurde er zum Co-Piloten ausgebildet und anschließend von seiner Arbeitgeberin auch als Co-Pilot eingesetzt. Er war durchgehend am Flughafen D stationiert. Sitz der C AG ist in E (U-Straße ...) nahe D; eine weitere Betriebsstätte unterhält sie ebenfalls in E (V-Straße ...).

Von Mai 1992 bis September 2000 hatte der Kläger im Dachgeschoss des Vorderhauses in der X-Straße -1 in E ein sog. Stand-by-Zimmer angemietet. Beim Einwohnermeldeamt E war er zunächst mit Nebenwohnsitz und in der Zeit vom 20.07.2000 bis zum 01.09.2000 mit Hauptwohnsitz gemeldet; anschließend meldete er sich, wie zuvor schon seine Familie, in die Schweiz ab. Seit dem 12.07.2010 hat der Kläger unter der im Rubrum aufgeführten Anschrift eine Wohnung in den USA angemietet.

Der Kläger wurde bis zum Veranlagungszeitraum 1999 gemeinsam mit seiner Ehefrau beim Finanzamt F-1 zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Veranlagungszeiträume ab 2000 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erteilung von Bescheinigungen für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer, wobei er angab, dass er unter seiner schweizerischen Anschrift seinen Wohnsitz habe und sich nicht im Inland aufhalte. Der Beklagte erteilte die Bescheinigungen für die Streitjahre jeweils antragsgemäß. Die Arbeitgeberin des Klägers behielt daher nur für den nach damaliger Rechtslage der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Inlandsanteil des vom Kläger erzielten Arbeitslohns Lohnsteuer ein und führte sie ab. In einem am 03.06.2009 beim Beklagten eingereichten Fragebogen zur Wohnsitzprüfung (EStA Bl. 49 ff.) gab der Kläger an, seinen Wohnsitz in Deutschland im Jahr 2000 vollständig aufgegeben zu haben. Er übernachte durchschnittlich zweimal monatlich in Deutschland, teilweise in den Ruheräumen der Arbeitgeberin und teilweise in Hotels.

Wegen des Verdachtes, dass mehrere Mitglieder des fliegenden Personals der C-Gruppe einen ausländischen Wohnsitz vorgetäuscht oder einen inländischen Wohnsitz verschwiegen hätten, führte das Finanzamt für Strafsachen und Prüfungsdienste in G in der Personalabteilung der C-Gruppe und in den Geschäftsräumen eines Rechtsanwaltes, der u. a. für den Kläger tätig geworden war, Durchsuchungen durch und übersandte das sichergestellte Beweismaterial an die Steuerfahndungsstelle H (im Folgenden: Steuerfahndung). Diese leitete am 15.04.2009 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.

Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger bis zum 31.05.2006 einen inländischen Wohnsitz unterhalten habe und daher unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Er habe unter der Anschrift X-Straße -1 in E ein sog. Stand-by-Zimmer angemietet, das er regelmäßig aufgesucht habe. Der Vermieter Herr J habe bestätigt, dass der Kläger den mit ihm geschlossenen Mietvertrag auch nach September 2000 fortgesetzt, die bis dahin per Überweisung gezahlte Miete von DM 300,00 bzw. später € 150,00 von da an aber nur noch bar gezahlt habe. Weiteres Indiz für die Annahme eines Wohnsitzes in der X-Straße -1 in E seien die regelmäßigen Bargeldabhebungen des Klägers an einem im Nachbarhaus (X-Straße -2) gelegenen Geldautomaten der Bank-1 im Zeitraum Oktober 2000 bis Mai 2006. Schließlich habe der Kläger die Anschrift X-Straße -1 gegenüber seiner Arbeitgeberin bis November 2004 als zweiten Wohnsitz angegeben. Die Steuerfahndung stützte ihr Ermittlungsergebnis vor allem auf folgende Unterlagen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird:

- Aktenvermerke vom 16.02.2009, 14.04.2009 und 10.11.2005 über Gespräche der Fahndungsprüfer mit Herrn AJ (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bd. I Bl. 35 ff.); - Schreiben der C AG vom 06.01.2009 (RbA Bd. I Bl. 38); - E-Mai...

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