Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Eigentümers einer an ein Unternehmen überlassenen Sache für Unternehmenssteuern
Leitsatz (redaktionell)
1. Eigentümer i.S.d. § 74 Abs. 1 S. 1 AO ist der bürgerlich-rechtliche, nicht der wirtschaftliche Eigentümer.
2. Ob der Eigentümer selbst oder ein Dritter den Gegenstand im Rahmen eines Schuldverhältnisses dem Unternehmen zur Verfügung stellt, ist ohne Bedeutung.
3. Für die Anwendung des § 74 Abs. 1 AO kommt es allein auf den Zeitpunkt des Entstehens der Steuer und nicht auf ihre Fälligkeit an.
4. § 74 AO begründet nicht eine bloße Duldungspflicht, sondern eine auf Zahlung gerichtete persönliche Haftung des Eigentümers.
5. Eine nach Verwirklichung des Haftungstatbestandes und seiner Geltendmachung erfolgte Eigentumsübertragung bringt die Haftung nicht zum Erlöschen.
Normenkette
AO 1977 § 74 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger als Miteigentümer eines betrieblich genutzten Grundstücks gemäß § 74 AO für Umsatzsteuerschulden einer Kommanditgesellschaft haftet, an der er beteiligt ist.
Der Kläger war Mitgesellschafter der Firma A (im folgenden: OHG) gewesen. Diese OHG betrieb bis zum 31.12.1982 ein ….. Mit Wirkung vom 01.01.1983 wurde diese Tätigkeit von der neu gegründeten B (im folgenden: KG) fortgeführt. Komplementärin der KG war die C (im folgenden: GmbH). Als Kommanditisten beteiligten sich der Kläger sowie die Herren D und E, die auch Mitgesellschafter der OHG waren. Der Gesellschaftsvertrag der KG vom 30.06.1982 sah in § 12 Abs. 2 statt einer Auflösungsklage die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund vor. Die OHG hatte im Verhältnis zu der KG die Funktion einer Besitzgesellschaft. Deshalb sollte nach der Präambel eines am 23.12.1982 zwischen der OHG und der KG abgeschlossenen Pachtvertrags das aus Immobilien bestehende Anlagevermögen sowie die Großgeräte, die die KG für den Betrieb ihres Gewerbes benötigte, bei der OHG verbleiben und der KG pachtweise für monatlich netto 16.500,00 DM zur Verfügung gestellt werden.
Zu dem von der OHG an die KG verpachteten Grundbesitz gehörte auch – neben anderen, vorliegend nicht interessierenden Parzellen – das in M gelegene und mit einer Halle bebaute Grundstück Gemarkung …., Flur …., Flurstück …., um das der Streit im vorliegenden Verfahren geht. Dieses Grundstück stand nicht im Eigentum der OHG, die es an die KG verpachtet hatte, sondern gehörte dem Kläger zu 1/2 sowie den Herren D und E zu jeweils 1/4 Anteil. Insoweit waren die Beteiligungsverhältnisse identisch mit denen der OHG und der KG, an denen ebenfalls der Kläger zu 50 v.H. und seine beiden Mitgesellschafter zu 25 v.H. beteiligt waren. Das Grundstück, das die OHG in ihrem Sonderbetriebsvermögen führte, war ausweislich eines vorliegenden Grundbuchauszugs zugunsten der F mit einer Grundschuld in Höhe von 750.000,00 DM belastet. Die Grundschuld diente als Sicherheit für Kredite der KG, nämlich einem Kontokorrentkredit in Höhe von bis zu 500.000,00 DM, einem Avalrahmen in Höhe von 300.000,00 DM sowie einem Darlehen in Höhe von 321.000,00 DM (siehe Abtretungs- und Sicherungszweckerklärung, Bl. 41 der FG-Akte).
Die finanzielle Lage der KG verschlechterte sich nach ihrer Gründung zunehmend. Im Zuge einer späteren zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern einerseits und dem Konkursverwalter für die KG andererseits stellte das Landgericht G mit Teilurteil vom 24.10.1991 (Az. 83 O 71/90) fest: „Ob die KG schon bei Gründung Anfang 1983 überschuldet war, kann dahinstehen. Jedenfalls ergeben die von der Steuerberatungsgesellschaft der KG gefertigten und von den Parteien vorgelegten Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen der KG sowie die Übersichten zur Entwicklung der Kapitalkonten in den Jahren 1987 und 1988, daß die KG jedenfalls seit Ende 1987 überschuldet und in einer schweren finanziellen Krise war ….” (Seite 15). Diese Feststellungen der 1. Instanz wurden in den folgenden Berufungs- und Revisionsverfahren bestätigt. Zu diesem Punkt wird in dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 11.07.1994 II ZR 146/92, ZIP 1994, 1261 ausgeführt, die Anschlußrevision greife die Feststellung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Ende 1987 überschuldet gewesen, nicht an. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht – u. a. wegen eines negativen Kapitalkontos von rund 1,4 Mio. DM und weiterer Umstände – den Schluß gezogen habe, daß die Gemeinschuldnerin – also die KG – Ende 1987 nicht in der Lage gewesen sei, die rückständigen und laufenden Pachtzinsbeträge zu zahlen.
Aus einem vom Kläger vorgelegten Schreiben der F an die KG vom 25.05.1988 ergibt sich eine von der Bank zugestandene kurzfristige Kreditüberschreitung. Weiterhin heißt es in diesem Schreiben: „Wir hatten in der Unterhaltung auch Gelegenheit, uns noch mal über die Ursache der permanent angespannten Liquiditätslage zu unterhalten. Diese ist eindeutig darauf zurückzuführen, daß die in den Jahren 1980 und 1981 noch bestandene se...