Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Konkursverwalters
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer als Vorsteuer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt wurden. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Für den Vorsteuerabzug muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen verwendet oder zu verwenden beabsichtigt. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG benannt sein.
Sachverhalt: Konkursverwalter macht Vorsteuerabzug geltend
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der K-KG, die u. a. im Hoch- und Tiefbau sowie in der Immobilienverwaltung tätig war. Nachdem die K-KG im Juli 1997 einen Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses gestellt hatte, wurde im März 1998 das Vergleichsverfahren eröffnet und der Kläger zum Vergleichsverwalter bestellt. Bereits bei Stellung des Vergleichsantrags beschäftigte die K-KG keine Mitarbeiter mehr. Da der bestätigte Vergleich im Rahmen der Fortsetzung des Vergleichsverfahrens nicht erfüllt werden konnte, stellte das Vergleichsgericht im April 2001 das Vergleichsverfahren ein, eröffnete das Anschlusskonkursverfahren und bestellte den Kläger zum Konkursverwalter. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens erbrachte die K-KG ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze. Im seinem Schlussbericht erläuterte der Kläger die Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse der K-KG und die dabei erfolgten Vermietungen. Im Juli 2014 stellte der Kläger seine Leistungen im Konkursverfahren in Rechnung und wies darin Umsatzsteuer aus. Mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2014 (Streitjahr) machte er als Konkursverwalter der K-KG allein den Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung mit einem Überschuss zu seinen Gunsten geltend.
Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, der Vorsteuerabzug könne nach § 15 Abs. 4 UStG nur anteilig gewährt werden, da die Leistung des Klägers nach Eröffnung des Konkursverfahrens teilweise für steuerfreie Ausgangsumsätze der K-KG, wie zum Beispiel Vermietungen, verwendet worden sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung zurück.
FG anderer Auffassung
Das FG gab der Klage statt. Nach der Rechtsprechung des BFH stehe die vom Kläger als Konkursverwalter an die K-KG erbrachte einheitliche Leistung in einem für den Vorsteuerabzug erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen der Konkursgläubiger, da sie der Befriedigung dieser Forderungen gedient habe. Die vereinzelt vom Kläger nach Eröffnung des Konkursverfahrens abgeschlossenen Mietverträge hätten der Verwertung gedient und seien keine Fortführung des Unternehmens der K-KG, so dass die Steuerfreiheit der Vermietung im Konkursverfahren unbeachtlich sei.
Entscheidung: BFH weist Revision des FA als unbegründet zurück
Der BFH entscheidet, dass das FG hat zu Recht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung über die Leistung des Konkursverwalters bejaht hat.
Im Insolvenzverfahren eines Schuldners, der seine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt hat, ist über den Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage der früheren Unternehmenstätigkeit zu entscheiden. Der Insolvenzverwalter erbringt eine einheitliche Leistung, die mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Schuldners der Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens dient. Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang besteht daher zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, die auf die frühere Umsatztätigkeit zurückzuführen sind, so dass es auf die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters nicht ankommt. Ob dies auch dann gilt, wenn eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vorliegt, hat der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen.
Auf dieser Grundlage hat das FG den Vorsteuerabzug für die Leistung des Konkursverwalters zutreffend bejaht. Hat der Gemeinschuldner – wie hier – seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingestellt, ist über den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Konkursverwalters nach der früheren unternehmerischen Tätigkeit des Gemeinschuldners zu entscheiden.
Ebenso wie ein Insolvenzverwalter erbrachte der Kläger als Konkursverwalter eine einheitliche Leistung. Die Leistung des Klägers als Konkursverwalter war aufgrund seiner Bestellung eine nicht auf einzelne Aufgabenbereiche beschränkbare Leistung, die in der Inbesitznahme, Verwaltung und Verwertung des gesamten zur Konkursmasse gehörigen Vermögens zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger bestand. Zudem erhielt der Kläger als Konkursverwalter eine Vergütung für eine insgesamt ausgeübte Tätigkeit. Dass einzelne Tätigkeiten des Konkursverwalters zu besonderen Zu- und Abschlägen führen konnten, begründet nicht das Vorliegen mehrerer selbständig erbrachter Leistungen.
Der Anspruch auf Vorsteuerabzug für die vom Konkursverwalter erbrachte Leistung kann im Streitfall nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in voller Höhe in Anspruch genommen werden, ohne dass dem § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG entgegensteht. Entgegen der Auffassung des FA sind für den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Verwalters die nach Verfahrenseröffnung ausgeführten – steuerfreien ‑‑ Verwertungsumsätze nicht zu berücksichtigen. Die von dem Konkursverwalter erbrachte Leistung steht somit mit der Gesamtheit der Ausgangsumsätze der K-KG, die diese vor der Eröffnung des Konkursverfahrens gegenüber den Konkursgläubigern ausgeführt hatte, in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang. Da die K-KG insoweit nach den Feststellungen des FG nur steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbracht hatte, waren die Forderungen der Konkursgläubiger ausschließlich auf diese zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zurückzuführen.
Hinweis: Vorsteuerabzug bei Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter
Soweit der BFH für das Insolvenzverfahren bisher offengelassen hat, ob Verwertungsumsätze von Bedeutung sind, wenn eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vorliegt, ist hierüber auch im Streitfall nicht zu entscheiden.
Im Konkursverfahren ermöglichten § 129 Abs. 2, § 132 Abs. 1 KO lediglich eine vorübergehende Fortführung des „Geschäfts des Gemeinschuldners“, soweit sie zu einer verbesserten Verwertung des Vermögens des Gemeinschuldners führte. Anders als im Insolvenzverfahren bestand im Konkursverfahren nicht die Möglichkeit, das Unternehmen mit dem Ziel des Unternehmenserhalts fortzuführen. Dementsprechend dienten auf der Grundlage der Feststellungen des FG die Handlungen des Klägers, einschließlich der laufenden Vermietungen sowie der vereinzelten Neuvermietungen, ausschließlich dazu, bis zum Verkauf der Immobilien weitere Einnahmen zur Befriedigung der Konkursgläubiger zu erlangen. Fehlte es danach an einer auf den Unternehmenserhalt gerichteten Unternehmensfortführung, ist es unerheblich, wenn es im Konkursverfahren auf dem Weg zur Liquidation zu vorübergehenden Vermietungen gekommen ist, die dann als nur ergänzende Verwertungsmaßnahmen anzusehen sind.
BFH, Urteil v. 23.11.2023, V R 3/22; veröffentlicht am 29.2.2024
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