Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtwohnsitzfiktion und deutsches Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit aus einer auf niederländischer NATO-Basis ausgeübten Tätigkeit; Zugehörigkeit zum zivilen Gefolge i.S.d. NATO-Truppenstatuts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zugehörigkeit zum zivilen Gefolge der Streitkräfte i.S.d. Art. X Abs. 1 NATO-Truppenstatut (NTS), für die das Nichtbestehen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland fingiert wird, erfordert ein Anstellungsverhältnis zwischen der Zivilperson und den Streitkräften bzw. dem Verteidigungsministerium; eine Anstellung bei einem die Truppe unterstützenden Unternehmen (hier: einer Bank) oder als technische Fachkraft, deren Dienste die Truppe benötigt, genügt hierfür nicht. Des Weiteren muss die beschäftigte Person die Truppe einer Vertragspartei „begleiten”; diese Voraussetzung erfüllen örtliche zivile Arbeitskräfte i.S.d. Art. IX Abs. 4 NTS, die im Aufnahmestaat requiriert werden, um den örtlichen Bedarf der Truppe an Arbeitskräften zu decken, nicht.

2. Eine Gleichbehandlung mit Mitgliedern des zivilen Gefolges aufgrund des Status als technische Fachkraft („Technical Representative”) i.S.d. Art. 72 und 73 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) scheidet für in den Niederlanden beschäftigte Personen aus, da die Anwendbarkeit des ZA-NTS auf das Territorium der BRD beschränkt ist.

 

Normenkette

AO § 9; EStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 50d Abs. 8; NATO-Truppenstatut (NTS) Art. I Abs. 1 Buchst. b; NTS Art. X Abs. 1; NTS Art. X Abs. 4; Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) Art. 72; AO § 8

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen I B 27/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Kläger in den Niederlanden erzielte Bruttoarbeitslohn der inländischen Besteuerung zu unterwerfen ist.

Der Kläger hatte in den Streitjahren seinen Wohnsitz im Inland. Er arbeitete bis Mai 2020 in den Niederlanden als … der Community Bank, eine Bankfiliale der Bank of America, N.A., auf einem Gelände eines militärischen Hauptquartiers der amerikanischen Streitkräfte in den Niederlanden (… Battalion, … Schinnen, Niederlande). Im Jahr 1984 war er von der American Express Bank Military Banking Devision eingestellt worden, welche infolge einer Betriebsübernahme und einer anschließenden Fusion mit Wirkung vom 5.7.1999 in Bank of America umbenannt wurde. Eine Verlegung der Bank auf das Gelände des NATO-Hauptquartiers Allied Joint Force Command Brunssum, Niederlande, war für das Jahr 2019 geplant.

Der Kläger wurde steuerlich bei verschiedenen Finanzämtern erfasst (Finanzamt – FA – Z St.-Nr.: 1 im Jahr 2008; FA Y St.-Nr.: 2 in den Jahren 2009 und 2010; ab 22.6.2010 FA X St.-Nr.: 3).

Am 18.1.2007 hatte das für den Arbeitgeber des Klägers zuständige FA P zunächst einen Antrag der Bank of America N.A. P/G auf Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug aufgrund eines DBA für den unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer abgelehnt („… nach DBA D.-NL. zu versteuern, keine Grenzgängerregelung; Befreiungsvorschrift Art. 72 Abs. 5a ZA NATO-Truppenstatut kann nicht angewandt werden, da Hr. K den Mitgliedern des zivilen Gefolges nicht gleichgestellt ist …”). Nach Einspruch des Steuerberaters half das FA P diesem ab und stellte eine „Bescheinigung über die Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung” für den Kläger aus. Danach wurde bescheinigt, dass der Arbeitslohn des genannten Arbeitnehmers nach § 39b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden nach Art. 15/1 im Inland nicht dem Steuerabzug unterliege. Die Bescheinigung gelte widerruflich für Arbeitslöhne für eine Tätigkeit in den Niederlanden vom 1.1.2007 bis 31.12.2009, längstens bis zur Beendigung der Tätigkeit. Weitere Voraussetzung für die Steuerfreistellung sei bei der genannten Auslandstätigkeit: Diese Bescheinigung gelte unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer sich länger als 183 Tage im jeweiligen Kalenderjahr in dem genannten Staat aufhalte oder der Arbeitslohn des Arbeitnehmers von einer dortigen Betriebsstätte oder festen Einrichtung des (wirtschaftlichen) Arbeitgebers getragen werde. Außerdem stehe die Bescheinigung unter der Auflage, dass der begünstigte Arbeitslohn im Lohnkonto und in der Lohnsteuerbescheinigung getrennt von dem übrigen Arbeitslohn angegeben werde und der Arbeitgeber für das Kalenderjahr, in dem der begünstigte Arbeitslohn bezogen werde, für den Arbeitnehmer die Lohnsteuer weder nach dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn (sogenannter permanenter Jahresausgleich) ermittle, noch einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführe. Abschließend findet sich der Hinweis, dass die abschließende Prüfung der Steuerfreistellung des Arbeitslohns bei der Veranlagung zur Einkommensteuer erfolge. In diesem Zusammenhang sei es grundsätzlich erforderlich, der Einkommensteuererklärung einen Nachweis (z.B. ausländisc...

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