rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Off-Sprecher bei Fernsehproduktionen als künstlerische Betätigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Mitwirkung eines ausgebildeten Journalisten als Off-Sprecher bei Fernsehsendungen und -dokumentationen oder ähnlichem einschließlich der damit verbundenen Textbearbeitung sowie in geringem Umfang das Sprechen kürzerer Werbetexte sowie das Coaching in Form der Vermittlung von Rede- und Sprechtechniken sind in ihrer Gesamtheit als künstlerische und damit freiberufliche Tätigkeit anzusehen.

2. Der künstlerische Charakter einer Sprechrolle ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Sendungen, an denen der Steuerpflichtige mitwirkt, möglicherweise nicht dem künstlerischen Bereich zuzuordnen sind, denn es ist nicht in erster Linie die Einordnung der Sendung, sondern die Beurteilung der Tätigkeit des Steuerpflichtigen maßgeblich.

3. Dabei kann die Darbietung des Textes in der Endfassung die künstlerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausmachen, wenn es sich nicht um das bloße Ablesen oder den reinen Vortrag eines Textes, sondern um eine auf die Bildfolge sowie die dokumentierten Geschehnisse bzw. die schauspielerischen Leistungen abgestimmte textliche Begleitung des jeweiligen TV-Formats handelt.

4. Es geht über die reine Sprechertätigkeit hinaus und eröffnet eine eigenschöpferische Gestaltungsfreiheit, wenn dem Steuerpflichtigen insoweit ein Freiraum eingeräumt ist, als es ihm obliegt, abhängig vom jeweiligen Sendeformat die Stimm- und Tonlage variabel einzusetzen, die Sprechgeschwindigkeit und weitere für die Stimme maßgebliche Faktoren den individuellen Gegebenheiten anzupassen und den Text passend zu den Bildern der Sendung dramaturgisch anzupassen.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die rechtliche Qualifizierung der Einkünfte aus einer selbstständigen Sprechertätigkeit als freiberufliche/künstlerische oder gewerbliche Tätigkeit.

Der Kläger ist ausgebildeter Journalist. Er erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb „…”, erfasst unter Steuernummer 1) sowie – die unter der Steuernummer 2 erfassten und vorliegend hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Qualifikation streitigen – Einkünfte aus der Tätigkeit als Sprecher … einiger Fernsehproduktionen …, Synchronsprecher … und als Sprecher von Werbe- und Ansagetexten sowie aus Coachingtätigkeiten. Den Großteil seiner Tätigkeit bildet die Tätigkeit als Off-Sprecher bei Fernsehproduktionen.

Der Kläger ermittelt den Gewinn aus seiner Sprechertätigkeit durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für den Streitzeitraum 2009 bis 2013 wurden die vom Kläger erzielten Einkünfte aus seiner Sprechertätigkeit vom Beklagten zunächst als freiberuflich im Sinne von § 18 EStG behandelt. Im Rahmen der vom 8. Oktober 2014 bis 19. März 2015 beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung wurden unter anderem die Einkünfte aus der Sprechertätigkeit geprüft. Die Tätigkeit des Klägers wurde dabei anhand exemplarischer Tätigkeitsbeschreibungen bzw. typischer Arbeitsabläufe und vom Kläger vorgelegter Unterlagen (Verträge, vereinbarte Rahmenbedingungen, Schriftverkehr) auf ihren künstlerischen Inhalt hin geprüft.

Die Beteiligten stimmen darin überein, dass die Tätigkeiten in den übrigen Streitjahren (d.h. vor 2013) dem Grunde nach den geprüften Beispieltätigkeiten im Jahre 2013 entsprochen haben. Insbesondere übte der Kläger keine rein journalistischen Tätigkeiten, sondern im Wesentlichen die streitgegenständlichen, unter der Steuernummer 2 erfassten Sprechertätigkeiten bzw. Off-Sprecher-Tätigkeiten für diverse TV-Formate und in geringem Umfang für Werbetexte sowie Coaching aus. Diese Tätigkeiten werden von den Beteiligten im vorliegenden Streitverfahren übereinstimmend insgesamt unter dem Begriff „Sprechertätigkeit” erfasst und sind hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Qualifizierung umstritten.

Nach Prüfung der exemplarisch betrachteten Tätigkeiten und den hierbei getroffenen Feststellungen der Betriebsprüfung wurde der Kläger bei dem Projekt „Y”, bei dem er mit Sprachgefühl und Einfühlungsvermögen die Rolle des „K” entwickelte, als Synchronsprecher tätig und konnte diese als eigenschöpferisch und künstlerisch im Sinne von § 18 EStG qualifiziert werden. Der Umfang dieser Tätigkeit und die daraus erzielten Einnahmen seien jedoch von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen seien die Tätigkeiten des Klägers nicht als künstlerisch zu qualifizieren, insbesondere da der Kläger hierbei nicht schauspielerisch tätig werde und insoweit keine Rolle mit Sprachgefühl und Einfühlungsvermögen gestaltet werde. Den – über die Tätigkeit als Synchronsprecher für das Projekt Y hinausgehenden – Sprechertätigkeiten fehle es an eigenschöpferischen Leistungen, da die vom Kläger erbrachten Leistungen regelmäßig keinen oder nur einen geringen Spielraum für die Entfaltung einer eigenen schöpferischen Leistung von künstlerischem Rang ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Hartz, ABC-Führer Lohnsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?