Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz in eine frühere (geänderte) Rechtsprechung. Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1.1.1986–1.1.1989
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA–) bei der Feststellung des Einheitswerts für den gewerblichen Betrieb der Klägerin die niedrigverzinslichen Darlehen an die Betriebsangehörigen zu Recht mit dem Nennbetrag angesetzt hat.
Die Klägerin, eine Bank, gewährt ihren Betriebsangehörigen seit Jahren niedrigverzinsliche Darlehen mit einem Zinssatz unter 5 v.H.
In ihren Bilanzen wies die Klägerin diese Darlehen im Umlaufvermögen zum Nennwert aus. Mit diesen Werten setzte sie die Darlehen auch in den Vermögensaufstellungen auf den 1. Januar 1986 sowie den 1. Januar 1989 an. Demgegenüber nahm sie in den Vermögensaufstellungen auf den 1.1.1987 und 1.1.1988 wegen der niedrigen Verzinslichkeit einen pauschalen Abschlag von den in den Steuerbilanzen angesetzten Nennwerten vor.
Das FA folgte den Erklärungen der Klägerin. Die entsprechenden Bescheide ergingen mit Datum vom 17.1.1989 (Einheitsbewertung auf den 1.1.1986 und 1.1.1987), 2.11.1989 (Einheitsbewertung auf den 1.1.1988) bzw. 17.7.1990 (Einheitsbewertung auf den 1.1.1989). Den Bescheiden war der Vorbehalt der Nachprüfung beigefügt.
In den Jahren 1990 und 1991 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Dabei beantragte die Klägerin, die Darlehen mit einem unter dem Nennwert liegenden Teilwert auch für die Stichtage 1.1.1986 und 1.1.1989 anzusetzen. Diesen Antrag lehnten die Prüfer ab. Vielmehr gelangten sie zu der Auffassung, daß der bisherige Ansatz unter den Nennwerten in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens den 1.1.1987 und 1.1.1988 nicht gerechtfertigt sei. Mit Urteil vom 30.11.1988 I R 114/84 (BStBl II 1990, 117) habe der Bundesfinanzhof (BFH) abweichend von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, daß niedrigverzinsliche Darlehen an Betriebsangehörige mit dem Nennbetrag anzusetzen seien. Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 17.1.1990 IV B 2-S 2274-3/90 (BStBl I 1990, 71) sei dieses Urteil allgemein anzuwenden. Soweit bei der Bewertung der Darlehen nach dem BMF-Schreiben vom 26. März 1980 IV B 2-S 2173 7/80 (Betriebsberater – BB– 1980, 559) verfahren worden sei, sei zwar die Berichtigung allgemein erst in der Bilanz für 1989 vorzunehmen (BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 71). Für Steuerpflichtige, die – wie die Klägerin – in ihren zurückliegenden Ertragsteuerbilanzen keine Abwertungen vorgenommen hätten, gelte über § 109 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) die Übernahme der tatsächlichen Bilanzwerte. Ein Unterschreiten sei bewertungsrechtlich nicht möglich. Denn nach § 109 Abs. 4 BewG seien die Darlehen mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung ergäben. Dies sei im Lichte der neueren Rechtsprechung aber der Nennbetrag. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 18.7.1991, insbesondere Tz. 5.05 („Arbeitnehmerdarlehen”) Bezug genommen.
Im Anschluß an die Außenprüfung erließ das FA u.a. geänderte Einheitswertbescheide, in denen es nunmehr auch die Darlehensforderungen auf den 1.1.1987 und 1.1.1988 mit dem Nennbetrag ansetzte (s. die Änderungsbescheide jeweils vom 19.11.1991).
Mit ihrem adgegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, des von der bisherin Rechtsprechung und Vewaltungsauffassung abweichende BFH-Urteil in BStBl II 1990, 117, wonach der Telwert niedrigverzinslicher Darlehen dem Nennwert entspreche, könne für die hier in Streit stehenden Jahre keine Wirkung entfalten. Gemäß § 176 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) dürfe im Besteuerungsverfahren nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß sich die höchstrichterliche Rechtsprechung geändert habe. Da danach der Barwert den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung entspreche, könne dieser Betrag trotz Ansatzes der Darlehen mit dem Nennbetrag in den Steuerbilanzen auch in der Vermögensaufstellung angesetzt werden. Denn § 109 Abs. 4 BewG bewirke keine strikte Bindung an Wertansätze der steuerlichen Gewinnermittlung.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 bestehe nicht. Zu den Stichtagen 1.1.1986 und 1.1.1989 seien die niedrigverzinslichen Darlehen bereits in der Vermögensaufstellung und auch im Erstbescheid mit dem Nennwert angesetzt worden. Damit sei die neue Rechtsprechung bereits im ursprünglichen Bescheid angewandt worden. Aber auch zu den Stichtagen 1.1.1987 und 1.1.1988 sei der Vertrauensschutztatbestand nicht erfüllt, da die Klägerin trotz Vorliegens des BMF-Schreibens in BB 1980, 559 bewußt die streitgegenständlichen Darlehen mit dem Nennwert bilanziert habe. Im übrigen gelte für den bewertungsrechtlichen Ansatz der Kapitalforderungen die Vermutung der Richtigkeit des Ansatzes in der steuerlich...