Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung. Anwendung des § 166 AO bei widerspruchsloser Feststellung im Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Wurden die vom FA im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen widerspruchslos festgestellt, kann sich der Geschäftsführer im Rahmen des Haftungsverfahrens nicht darauf berufen, dass die Steuerschulden nicht in der vom FA geltend gemachten Höhe bestehen. Er ist insoweit an die in der Insolvenztabelle widerspruchlos festgestellten Forderungen des FA nach § 166 AO gebunden.
Normenkette
AO §§ 166, 191 Abs. 1, § 69; InsO § 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die … GmbH (im Folgenden GmbH) wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Klägerin war von Anfang an Geschäftsführerin der GmbH. Faktischer Geschäftsführer war ihr Ehemann. Die GmbH gab zunächst für die Jahre 2003 bis 2005 weder Voranmeldungen noch Umsatzsteuer- oder Körperschaftsteuererklärungen ab. Mit Bescheiden vom 14. Oktober 2005 schätzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Besteuerungsgrundlagen und setzte Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein. Am 31. März 2006 stellte das FA und am 12. Oktober 2006 die Klägerin den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die GmbH. Mit Beschluss vom … November 2006 eröffnete das Amtsgericht Landshut das Insolvenzverfahren (Az. …). Das FA meldete Forderungen wegen Umsatzsteuer 2003 bis 2005, Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 inklusive Solidaritätszuschlag sowie Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge zur Tabelle an. Anfangs bestritt der Insolvenzverwalter die Forderungen; sie wurden aber nachträglich in voller Höhe festgestellt. Die GmbH widersprach den Forderungen nicht. Das Amtsgericht Landshut hob das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung am …. April 2009 auf. Die GmbH wurde wegen Vermögenslosigkeit am … Juni 2009 von Amts wegen gelöscht. Die Klägerin war während des Insolvenzverfahrens fachkundig vertreten.
Die GmbH erzielte Umsatzerlöse in Höhe von 4.406.401,28 EUR in 2004 und in Höhe von 946.961,71 EUR in 2005. Die von ihr bezogenen Leistungen betrugen 3.121.093,55 EUR in 2004 und 2.353.034,23 EUR in 2005. Zum 31. Dezember 2005 bestanden noch Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 228.556,17 EUR.
Nach Anhörung der Klägerin erließ das FA am 2. Dezember 2008 einen an sie gerichteten Haftungsbescheid in Höhe von 746.771,80 EUR. Sie werde gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) in Haftung genommen. Zahlungen der GmbH seinen aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr zu erwarten. Ferner wies es darauf hin, dass gegen den faktischen Geschäftsführer am 1. Dezember 2008 ebenfalls ein Haftungsbescheid erlassen worden sei.
Alle im Haftungsbescheid aufgeführten Steuern und steuerliche Nebenleistungen sind im Insolvenzverfahren ohne Widerspruch der GmbH festgestellt worden.
Auf Einspruch der Klägerin verringerte das FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 den Haftungsbetrag auf 692.523,80 EUR und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Abweichend von seinem ursprünglichen Bescheid berücksichtigte das FA Zinsen und Säumniszuschläge nicht mehr bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern lediglich bis zur Stellung des Insolvenzantrages am 31. März 2006; das FA nahm die Klägerin letztlich für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag der Jahre 2003 bis 2005 sowie diese Steuern betreffende steuerliche Nebenleistungen in Anspruch. In seiner Einspruchsentscheidung führte das FA aus, durch Inanspruchnahme werde kein laufendes Unternehmen gefährdet; der Geschäftsbetrieb der GmbH sei eingestellt.
Am 13. September 2013 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt Einwendungen gegen die Höhe der Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer der GmbH in den Jahren 2005 vor; dadurch würden sich die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen auf 123.968,83 EUR verringern. Ihr sei es nicht möglich gewesen, im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegen ergangene Bescheide Rechtsbehelfe einzulegen, weil keine Bescheide erlassen worden, sondern lediglich Mitteilungen an den Insolvenzverwalter versandt worden seien. Die eingelegten Einsprüche gegen die vor dem Insolvenzverfahren ergangenen Bescheide habe der Insolvenzverwalter nicht zurückgenommen. Der fehlende Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen könne nicht als Einverständnis der Klägerin herangezogen werden, da sie zu diesem Zeitpunkt die Grundlage für die Höhe der Steuerschuld noch nicht gekannt habe; hiervon hätte sie erst im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid erfahren. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 2. Juli 2008 dem FA mitgeteilt, dass er zwar der Forderungsanmeldung zustimme, aber er habe ergänzt, ein Zugestän...