Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein ermäßigter Umsatzsteuersatz für den Verkauf von Backwaren in Oktoberfest-Festzelten durch sog. Brezenläufer
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verkauf von Backwaren in Festzelten durch sog. Brezenläufer unterliegt als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz, wenn sich der Verkäufer die Nutzungsmöglichkeit der Festzelte gegen Entgelt einräumen lassen hat und ihm die Verzehrvorrichtungen der Bierzeltbetreiber (Biertische und Bierbänke) zuzurechnen sind.
2. Auch wenn die Verzehreinrichtungen nicht im Eigentum des Backwarenverkäufers stehen, ihm die Mitnutzung aber vertraglich zugesichert ist, ist ihm die Zurverfügungstellung der Biertische und Bierbänke gegenüber den Brezenkäufern als eigene Dienstleistung zuzurechnen, wodurch die Dienstleistungselemente (Transport der Brezen an die Verzehreinrichtungen, Zurverfügungstellung der Verzehreinrichtungen) im Verhältnis zu Elementen einer Lieferung von Speisen im Vordergrund stehen.
Normenkette
UStG 2012 § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1, 9 S. 1; UStG 2012 Anlage 2 Nrn. 28, 31, 33; MwStSystRL Art. 98 Abs. 1-2; MwStSystRL Anhang III Nr. 1; MwStVO Art. 6 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2; DVO (EU) Nr. 228/2011 Art. 6 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Umsätze aus dem Verkauf von Gebäck in Festzelten auf dem Oktoberfest dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom … gegründeten Klägerin sind der Betrieb von Filialen zum Vertrieb von verpackten und offenen Lebensmitteln sowie Ausschank von Getränken, insbesondere von Kaffee und Kuchen. Zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerinnen der Klägerin sind bestellt.
Mit Vertrag vom 6. Mai 2012 verpachtete die A oHG der Klägerin für die Dauer des Oktoberfestes (vom 22. September 2012 bis zum 7. Oktober 2012) in dem Festzelt „AA” einen Verkaufsstand ausschließlich zum Verkauf von Brezen gegen ein Entgelt von … EUR. Mit Verträgen vom 28. Juni 2012 sowie vom 28. Juni 2013 überließen B der Klägerin für die Dauer der Oktoberfeste vom 22. September 2012 bis zum 7. Oktober 2012 sowie vom 21. September 2013 bis zum 6. Oktober 2013 die Nutzung des Brotstandes im BB Festzelt zum Direktverkauf von gemischten Semmeln, Brezen und allen Brotsorten (ohne Ver- und Bearbeitung) gegen ein Entgelt von … EUR (2012) bzw. … EUR (2013). Zudem durfte die Klägerin bis zu zwölf Personen als Verkäufer außerhalb des Mietgegenstandes beschäftigen. Mit Verträgen vom 23. Juli 2012 sowie vom 6. August 2013 überließ die C OHG der Klägerin für die Dauer der Oktoberfeste 2012 und 2013 den Verkaufsstand in ihrer [Festzelt] zum Alleinverkauf von Brot jeder Art und Bierbrezen, ausgenommen war der Verkauf von kleinen Brezen aus der Küche in Verbindung mit einem Gericht, gegen ein Entgelt von … EUR (2012) bzw. … EUR (2013). Mit Verträgen vom 3. Juli 2012 sowie vom 29. Mai 2013 vermietete D der Klägerin für die Dauer der Oktoberfeste 2012 und 2013 jeweils Brezenstandl und Backstube im DD Festzelt und räumte ihr das Alleinrecht zum Verkauf der Brezen gegen ein Entgelt von … EUR (2012) bzw. … EUR (2013) ein. Mit Vertrag vom 20. August 2012 verpachtete die E GmbH der Klägerin für das vom 22. September 2012 bis 30. September 2012 stattfindende Zentrale Landwirtschaftsfest einen „Oktoberfest typischen” Verkaufsstand zum Alleinverkauf von Brezen, Brot und Semmeln gegen ein Entgelt von … EUR.
In ihrer am 10. September 2013 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2012, der der Beklagte (das Finanzamt –FA–) zustimmte, errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von … EUR. Hierbei unterwarf sie – abweichend von den Vorjahren – die Umsätze aus dem Verkauf von Backwaren (sog. Wiesnbrezen) in den o.g. Festzelten auf dem Oktoberfest durch sog. Brezenläufer dem ermäßigten Steuersatz.
In ihren eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume drittes und viertes Kalendervierteljahr 2013, denen das FA zustimmte, meldete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von … EUR (drittes Kalendervierteljahr 2013) sowie dem Betrag von … EUR (viertes Kalendervierteljahr 2013) an. Hierbei unterwarf sie wiederum die Umsätze aus dem Verkauf von Backwaren durch Brezenläufer dem ermäßigten Steuersatz.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 16. Dezember 2013) setzte das FA die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2012 mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 7. Januar 2014 auf den Betrag von … EUR fest. Zur Begründung führte das FA im Prüfungsbericht an, dass die streitgegenständlichen Umsätze aus dem Verkauf von Gebäck durch Brezenläufer dem Regelsteuersatz unterlägen, da der Klägerin eine die Bewirtung fördernde, von den Festzeltbetreibern bereitgestellte Infrastruktur (Zelt mit Biertischgarnituren, Musik)...