Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf künftigen Unterhalt als Gegenleistung bei einer gemischten Schenkung
Leitsatz (redaktionell)
Überträgt eine Mutter auf ihre unterhaltsberechtigte Tochter Vermögen in Anrechnung auf deren Erb- und Pflichtanteil im Erbfall der Mutter sowie gegen deren Verzicht auf weiteren Unterhalt, so liegen keine Gegenleistungen vor.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 12; BGB § 1614
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei der Überlassung von Grundstücken um einen Ausgleich für Unterhaltsleistungen für eine behinderte Tochter handelt.
I.
Frau, die Witwe und Alleinerbin ihres am 4.6.1998 vorverstorbenen Ehemannes, hat mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.11.2002 (URNr. S 1779/2002) den Grundbesitz der Gemarkung, Fl.Nr. 6080, Wohnhaus mit Läden, Hofraum zu 0,0210 ha. (Grundbuch des Amtsgerichts Band 319, Blatt 8557) und den 284/10.000 Miteigentumsanteil an den vereinigten Grundstücken der Gemarkung, Fl.Nr. 1453, Wohnhaus, Nebengebäude, Hof- und Gebäudeflächen, Gartenland (3.216 m²) und Fl.Nr. 1453/1, Straße (3 m²) zu 0,3219 ha, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung, im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 20 / Haus 2 (2. Obergeschoß) und an der Garage, im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 20 (Grundbuch des Amtsgerichts, Band 64, Blatt 2476) an ihre am 22.4.1958 geborene Tochter, die Klägerin, mit Wirkung vom 31.12.2002 unentgeltlich überlassen.
In der Urkunde wurde unter Tz. IV Rechtsgrund angegeben, dass die Übertragung des Grundbesitzes unentgeltlich erfolgt, jedoch in Anrechnung auf den künftigen Erb- und Pflichtteil der Klägerin im Erbfall der Mutter. Zusätzlich erhielt die Klägerin zur endgültigen Abfindung ihrer Pflichtteilsansprüche nach dem Vater 57.284,96 EUR in bar. Die Klägerin wird durch Herrn Rechtsanwalt betreut.
Nach der eingereichten Schenkungsteuer-Erklärung hat das Lagefinanzamt mit Bescheid vom 28.8.2003 den Grundbesitzwert für das überlassene Grundstück, WET 20 auf 41.000 EUR und das Lagefinanzamt mit Bescheid vom 16.4.2004 den Grundbesitzwert für das überlassene Grundstück M auf 574.500 EUR festgestellt.
Der Beklagte, das Finanzamt, setzte gegen die Klägerin eine Schenkungsteuer von 58.170 EUR fest (Grundvermögen 41.000 EUR und 574.500 EUR abzüglich Kosten für Notar und Grundbuchamt und Steuerberatung 22.679 EUR = Wert des Erwerbs 592.821 EUR, Freibetrag § 16 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG – 205.000 EUR, Steuerklasse I, Steuersatz 15 %). Der Bescheid erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – im Hinblick auf beim Bundesfinanzhof – BFHoder Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes.
Den Schenkungsteuerbescheid adressierte das Finanzamt an den Verfahrensbevollmächtigten und gab den Bescheid am 5.5.2004 mit einfachem Brief zur Post.
Gegen diesen Bescheid legte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 26.5.2004, eingegangen am 28.5.2004, Einspruch ein und brachte vor, dass die Klägerin aufgrund ihrer Krankheit arbeits- und erwerbsunfähig sei und auf die Unterhaltsansprüche gegen ihre Mutter angewiesen sei. Die Übertragung der Immobilien sei nicht freigebig, sondern als Ausgleich für Unterhaltsleistungen zu betrachten. Außerdem sei der Wert zu hoch.
Der Einspruch bleib erfolglos (s. Einspruchsentscheidung vom 8.9.2004, Bl. 80 ff Finanzamts-Akte).
Mit der Klage trägt der Betreuer der Klägerin vor, dass die Mutter an die Klägerin wegen deren Erwerbsunfähigkeit (Schizophrenie, 100 % behindert, s. Bl. 66 / Finanzgericht-Akte) monatlich 613,50 EUR (Wohnwert Appartement) und 562,42 EUR geleistet habe.
Ab Februar 2001 habe die Klägerin Zahlungen von ihrer Mutter aufgrund ihres Pflichtteilsrechts im Erbfall ihres 1998 verstorbenen Vaters erhalten. Um von ihren Unterhaltspflichten freizukommen, sei der Überlassungsvertrag vom 28.11.2002 geschlossen worden. Dies könne die Mutter der Klägerin jederzeit bezeugen. Folglich liege keine unentgeltliche freigebige Verfügung an die Klägerin vor. Außerdem habe die Klägerin die Grundstücke nicht zur freien Verfügung erhalten, weil sie darüber nur nach vorheriger Zustimmung habe verfügen dürfen und unter gewissen Umständen (Insolvenz, grober Undank, eventuelles Vorversterben und eventuelle Ehescheidung) die Grundstücke an ihre Mutter zurückgeben müsse. Zudem sei das Anwesen in der Str. zu hoch bewertet, weil Reparaturen in Höhe von 167.667,01 EUR durchgeführt worden seien. Die Belastung mit Erbschaftsteuer sei für die Klägerin unzumutbar, weil sie auf jeden Euro angewiesen sei.
Während des Klageverfahrens setzte das Lagefinanzamt den Grundbesitzwert für das Grundstück str. mit Feststellungsbescheid vom 27.10.2004 auf 518.500 EUR fest, weshalb das Finanzamt mit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem ...