Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 52 Abs. 39 S. 1 EStG angeordnete rückwirkende Anwendung der §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ist ein Fall unechter Rückwirkung.
2. Das Vertrauen der Steuerpflichtigen auf die vorher geltende zweijährige Spekulationsfrist ist nicht schutzwürdig, wenn die Veräußerung nach dem Beschluß des Bundestags und -rats über das StEntlG 1999/2000/2002 vom 23.04.1999 und nach der Verkündung des Gesetzes am 31.03.1999 stattfindet.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 2 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 2, 2 S. 2, Abs. 3, 3 S. 1
Tatbestand
Es ist zu entscheiden, ob die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999, 2000, 2002 (StEntlG) verfassungswidrig ist.
Die Antragsteller (Ast.) sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Mit Vertrag vom 07.02.1992 erwarben sie eine Eigentumswohnung (ETW) zum Preis von DM. Ihre Anschaffungsnebenkosten betrugen DM. Mit Vertrag vom 16.04.1999 veräußerten sie die ETW zum Preis vom DM. Ihre Veräußerungskosten betrugen DM. Sie hatten die ETW zwischen Anschaffung und Veräußerung vermietet. Im ESt-Bescheid für das Streitjahr 1999 vom 17.04.2000 erfaßte der Antragsgegner (Ag.) – das Finanzamt (FA) – einen steuerpflichtigen Gewinn aus der Gründstücksveräußerung i.H.v. DM. Die zusammen mit dem Einspruch am 18.04.2000 beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) des ESt-Bescheids bezüglich des Spekulationsgewinns lehnte der Ag. mit Bescheid vom 20.04.2000 ab. Den Einspruch lehnte der Ag. mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2000 ab. Das anhängige Verfahren der Hauptsache 14 K 3084/00 E ist noch nicht entschieden.
Im gerichtlichen Verfahren der AdV sind die Ast. der Ansicht, ein Gewinn sei nicht zu versteuern. Nach Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist sei ihre ETW am 31.12.98 bereits „entstrickt” gewesen. Die im Monat März 1999 beschlossene Änderung der Vorschrift des § 23 EStG sei eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung. Sie hätten bereits seit dem Herbst 1998 den Verkauf ihrer ETW verhandelt.
Die Ast. beantragen sinngemäß,
die Vollziehung des ESt-Bescheides 1999 vom 17.04.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2000 hinsichtlich eines Spekulationsgewinnes i.H.v. DM auszusetzen.
Der Ag. beantragt sinngemäß,
den Antrag abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht begründet.
Der Ag. hat die AdV des angefochtenen ESt-Bescheids 1999 zu Recht abgelehnt.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für der Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Gräber/Koch, FGO, 4. Auf. 1997, § 69 Rz. 77 m.w.N.). An solchen ernstlichen Zweifeln fehlt es im Streitfall.
Der Ag. hat den Gewinn der Ast. aus der Veräußerung ihrer ETW mit Vertrag vom 16.04.1999 i.H.v. DM zu Recht als Spekulationsgewinn angesetzt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG unterliegen der ESt Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Die Vorschrift ist nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.
Nach diesen Vorschriften ist der Gewinn der Ast. aus der Veräußerung ihrer ETW zu versteuern. Mit Vertrag vom 07.02.1992 hatten sie ihre ETW gekauft und mit Vertrag vom 16.04.1999 verkauft.
Die Ast. haben auch aus Gründen des Vertrauensschutzes keinen Anspruch auf die weitere Anwendung der im Zeitpunkt der Anschaffung ihrer ETW geltenden Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks von zwei Jahren. Nicht jede nachträgliche Verschlechterung von Rechtspositionen verstö...