Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Durch § 1 Abs. 2 GrEStG sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis kommt, bei denen jedoch der Berechtigte einem anderen im Innenverhältnis so weitgehende Einflussmöglichkeiten hinsichtlich des Grundstücks einräumt, die den in § 1 Abs. 1 GrEStG beschriebenen Tatbeständen so nahe kommen, dass letztlich dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann und damit der andere sich den Wert des Grundstücks auf eigene Rechnung nutzbar machen kann.
2) Zur Erfüllung des Tatbestands i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG ist es nicht erforderlich, dass der Berechtigte wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen, d.h. es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und einschließlich veräußern kann. Es genügt, wenn er die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat, auch wenn das eine oder andere der genannten Rechte ihm nicht eingeräumt worden ist oder ihm nicht zusteht.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) aufgrund eines in 0000 abgeschlossenen sog. Rahmenvertrages eine grunderwerbsteuerliche Verwertungsbefugnis im Sinne von § 1 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) hinsichtlich von Grundstücken erlangt hat, die durch einen Dritten erworben worden sind.
Die Klin. ist die Gemeinde F. Sie schloss am 00.00.0000 (UR-Nr. 132/0000 des Notars N1, O) mit der X GmbH (im Folgenden: GmbH) E einen sog. Rahmenvertrag.
Nach § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrages sollten bestimmte Grundstücke laut beigefügter Lagepläne von der GmbH in Abstimmung und im Zusammenwirken mit der Klin. für Zwecke der Wohnbebauung erworben, vorgehalten und an Interessenten veräußert werden.
Es handelt sich dabei um Grundstücke, die in dem zu entwickelnden Baugebiet „…” in F (B) – Baugebiet B – und in dem Baugebiet „…” in F – Baugebiet N – liegen.
Die Klin. sollte den Bebauungsplan erstellen (§ 2 Abs. 2 des Vertrages). Die Erschließung sollte durch die Klin. erfolgen (§ 2 Abs. 7 des Vertrages). Die GmbH verpflichtete sich, in Abstimmung mit der Klin. tätig zu werden. Sie werde von sich aus alle Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung rechtzeitig an die Gemeinde herantragen (§ 3 Abs. 1 des Vertrages).
Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages obliegen der GmbH die folgenden Aufgaben:
- Die Aufstellung eines Zeit- und Maßnahmeprogrammes im Zusammenwirken mit der Klin.;
- Die Finanzierung des Erwerbs und der sonstigen notwendigen Maßnahmen;
- Der Erwerb der im Vertragsgebiet gelegenen Grundstücke im eigenen Namen und für eigene Rechnung;
- Die Unterstützung der Klin. bei den das Vertragsgebiet betreffenden Planungen und bei der Vorbereitung der zu treffenden Beschlüsse und der einzuholenden Genehmigungen;
- Die Vermessung des Vertragsgebietes;
- Die Ausarbeitung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundsätze, zu denen die Grundstücke im Einvernehmen mit der Klin. an Dritte zu veräußern sind;
- Die Veräußerung der parzellierten Grundstücke an Bauwillige entsprechend den mit der Klin. in diesem Vertrag getroffenen Vereinbarungen; von der Klin. vorgeschlagene Bewerber werden akzeptiert;
- Die unentgeltliche Übertragung der für die öffentliche Nutzung bestimmten Grundstücksteile an die Gemeinde.
In § 5 Abs. 1 war zur Abrechnung und zum Entgelt folgende Regelung enthalten:
„Nach Veräußerung aller Grundstücke, spätestens jedoch nach Ablauf dieser Vereinbarung erstellt die GmbH eine Übersicht über die finanzielle Abwicklung der Maßnahme. Dabei werden die der GmbH entstandenen Kosten (z. B. Steuern und sonstige Abgaben sowie ggf. Planungs- und Vermarktungskosten, Grunderwerbskosten, Abgaben und Gebühren, Erschließungskosten, Finanzierungskosten, Nachfolgekosten usw.) für die erworbenen Grundstücke mit den erzielten Verkaufserlösen verrechnet.”
Gemäß § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages sollte die GmbH zur Deckung ihres eigenen Aufwandes der Klin. einen Verwaltungskostenbeitrag von jährlich 1 % p. a. einer definierten Bemessungsgrundlage (Grundstücksankaufspreise zuzüglich der in § 5 Abs. 1 aufgeführten Erwerbsnebenkosten jedoch ohne Erschließungskosten abzüglich aller Erlöse (Grundstücksverkäufe), jedoch mindestens xxx DM zuzüglich MWSt berechnen können.
Laut § 6 Abs. 1 des Vertrages hatte die GmbH die Klin. in regelmäßigen Abständen und auf Anforderung über den Stand der Maßnahme zu unterrichten (Grundstückszugänge, -abgänge, Kaufpreise, Unternehmensaufwand, Erlöse). Gemäß § 6 Abs. 2 hatte die GmbH der Klin. eine Schlussrechnung über die Gesamtkosten der Maßnahme und die erzielten Verkaufserlöse zu erstellen.
Gemäß § 7 Abs. 1 verpflichtete sich die Klin., bei Erwerb der Grundstücke auf Wunsch und in Abstimmung mit der GmbH die notwendigen Verhandlungen mit den Verkäufern bis zur Abschlussreife zu führen...