Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt in die Mitunternehmerstellung des Erblassers, Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung nach §§ 1975 ff. BGB im Feststellungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Erbe einer mitunternehmerischen Beteiligung tritt mit dem Erbfall in die Mitunternehmerstellung des Erblassers ein. Die bis zur Veräußerung/Aufgabe der Beteiligung anfallenden Einkünfte sind dem Erben mithin als eigene zuzurechnen.
2) Eine Beschränkung der Erbenhaftung gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. §§ 1975 ff. BGB kann der Erbe nicht bereits im Feststellungs-, sondern erst im Erhebungsverfahren (Vollstreckungsverfahren) geltend machen.
Normenkette
AO §§ 179 ff; AO §§ 259 ff; EStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BGB §§ 1975 ff; AO § 45 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2002.
Der Kläger ist Erbe des am 22.06.1996 in H verstorbenen Dr. N. Zum Nachlass gehörte u.a. ein Anteil am CIB-Fonds (später umbenannt in E Fonds GbR). Die angeordnete Nachlassverwaltung hob das Amtsgericht H am 09.08.2000 mit der Begründung auf, der Zweck der Nachlassverwaltung sei durch die Berichtigung der bekannten Nachlassverbindlichkeiten erreicht.
Der E Fonds, der die Rechtsform einer GbR hatte, war an der Firma D GmbH & Co KG beteiligt. Die vom zuständigen Finanzamt X. – zuletzt für 2002 – übersandten Mitteilungen über die Gewinnanteile des Fonds wertete der Beklagte in den die E Fonds GbR betreffenden Feststellungsbescheiden aus.
Der Kläger wird seit dem Erbfall als Beteiligter des Fonds mit dem Eintrittsdatum 22.06.1996 geführt, Beteiligungseinkünfte wurden ihm zugerechnet.
Die E. Fonds GbR wurde Mitte 2002 aufgelöst. Der Feststellungsbescheid 2002 erging unter dem 20.08.2003 und wurde im Wege der Einzelbekanntgabe (§ 183 Abs. 2 AO) bekannt gegeben. Dem Kläger wurde neben dem laufenden Verlust in Höhe von 70,09 EUR ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 12.028,89 EUR zugerechnet. Der Veräußerungsgewinn folgt aus der Auflösung eines negativen Kapitalkontos des Klägers.
Der gegen den Feststellungsbescheid vom 20.08.2003 erhobene Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung vom 26.05.2004 trug der Beklagte vor, der Kläger habe in das den E Fonds betreffende Feststellungsverfahren für 2002 einbezogen werden müssen. Er sei infolge des Erbfalls seit Mitte 1996 bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des Fondsanteils gewesen. Das habe er in der Folgezeit auch nie bestritten.
Die von ihm im Zusammenhang mit dem Feststellungsbescheid 2002 geltend gemachten Einreden gemäß den §§ 1973, 1974, 1986, 1990 BGB würden nicht durchgreifen. Diese Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches beträfen die Forderungen eines Gläubigers gegen einen Nachlass. Der Beklagte erhebe aber keine Forderung. Der Feststellungsbescheid 2002 enthalte kein Leistungsgebot. Er erfasse steuerliche Vorgänge des Jahres 2002, die von dem Erbfall des Jahres 1996 und der Aufhebung der Nachlassverwaltung unbeeinflusst seien. Selbst im Bereich der nachfolgenden Einkommensteuerfestsetzung sei die Beschränkung einer Erbenhaftung vom Erben nicht im Steuerfestsetzungsverfahren oder gegen das Leistungsgebot, sondern nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11.08.1998 VII R 118/95, BFHE 186, 328, BStBl II 1998, 705) erst im Zwangsvollstreckungsverfahren als Einwendung geltend zu machen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 23.06.2004 gegen die Einspruchsentscheidung vom 26.05.2004 Klage. Zur Begründung trägt er vor, er habe bereits im Einspruchsverfahren die Einreden der Beschränkung der Haftung des Erben gemäß den §§ 1975 ff BGB geltend gemacht, insbesondere die Einreden der Erschöpfung des Erbes (§ 1989 BGB), der Dürftigkeit (§ 1990 BGB) und der Verschweigung wegen verspäteter Geltendmachung (§ 1974 BGB). Wenn überhaupt habe der Feststellungsbescheid nur mit der ausdrücklichen Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des verstorbenen Prof. Dr. M ergehen dürfen.
Der Beklagte sei zwar nicht Gläubiger einer Steuerforderung. Er habe jedoch die Grundlagen für eine Steuerforderung des Wohnsitzfinanzamtes des Klägers festgestellt. Gegenüber dem Wohnsitzfinanzamt als Gläubiger der Steuerforderung könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Nachlassverwaltung beendet sei. Dieses Finanzamt erlasse lediglich einen nicht angreifbaren Folgebescheid. Den Kläger auf Rechtsbehelfe im Vollstreckungsverfahren zu verweisen, bedeute eine Verkürzung des Rechtsschutzes.
Es werde zwar nicht bestritten, dass die Einreden der Bedürftigkeit des Nachlasses usw. erst im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden könnten. Der Streit bestehe darin, dass der Beklagte die Ansicht vertrete, der Kläger habe nach Abschluss der Nachlassverwaltung kein Recht mehr, sich auf die Haftungsbeschränkung zu berufen.
Der Beklagte sehe in der Steuerschuld eine „Nachlasserbenschuld”, für die der Erbe mit seinem privaten Vermögen hafte. Die Steuer sei ihm zuzurechnen, weil ...