Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzüberschreitende Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag nicht EU-rechtswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1) Art. 1 Abs. 1 RL 2003/49/EG (Zinszahlungsrichtlinie) ist nicht auf eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen beim zinszahlenden Unternehmen anwendbar. Vielmehr werden durch Art. 1 Abs. 1 RL 2003/49/EG die Einkünfte beim zinsempfangenden Unternehmen in Form von Zinsen von allen hierauf erhebbaren Steuern befreit. Nicht für die Entscheidung tragend ist aber die vom Gericht erwogene Erstreckung auch auf das zinszahlende Unternehmen, da sich ein inländisches Unternehmen wegen Art. 1 Abs. 10 RL 2003/49/EG und des dort zugelassenen Umsetzungsspielraums der Mitgliedstaaten nicht unmittelbar auf diese Richtlinie berufen kann, sofern im Zeitpunkt der Zinszahlung die in Art. 3 Buchst. b RL 2003/49/EG genannten Voraussetzungen noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums, der höchstens zwei Jahre betragen darf, erfüllt sind.
2) Da die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG nicht nur auf ausländische, sondern auch auf inländische Unternehmen anzuwenden ist, findet eine Benachteiligung grenzüberschreitender Unternehmen nicht statt. Die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG verstößt deshalb nicht gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43, 48 EGV.
3) Der nationale Gesetzgeber darf bei der Umsetzung der RL 2003/49/EG zwischen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und der Gewerbesteuer andererseits unterscheiden.
Normenkette
RL 2003/49/EG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Buchst. b; GewStG § 8 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag gegen die Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157 vom 26. Juni 2003, S. 49 – im Folgenden: ZLRL –) verstößt.
Die Klägerin, eine GmbH, wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. März 2003 als Vorratsgesellschaft gegründet. Ihr Stammkapital beträgt 25.000 EUR. Am 8. August 2003 erwarb die S::::::: Systems B.V. (S) mit Sitz in A-Stadt (Niederlande) sämtliche Anteile an der Klägerin. Zum neuen Gegenstand des Unternehmens wurde die Herstellung und der Vertrieb von Komponenten für solare Energiegewinnungsanlagen bestimmt. Die Klägerin nahm ihre Geschäftstätigkeit am 1. September 2003 auf.
Die S gewährte der Klägerin mit 11 weitgehend gleichlautenden Verträgen, die in der Zeit zwischen dem 27. August 2003 und dem 1. Dezember 2004 abgeschlossen wurden, Darlehen über insgesamt 5.180.000 EUR. Der Zinssatz sollte 5% betragen, die Rückzahlung auf Abruf der S erfolgen. Die Zinsen für das Streitjahr 2004 beliefen sich auf insgesamt 154.584 EUR.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) rechnete im Gewerbesteuermessbescheid vom 31. März 2006 die Hälfte dieses Zinsbetrags dem Gewerbeertrag hinzu und berief sich hierfür auf § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).
Mit ihrem Einspruch rügte die Klägerin einen Verstoß gegen die ZLRL. Die Hinzurechnung der Hälfte der Dauerschuldzinsen bewirke, dass dieser Teil der Zinszahlungen im Ursprungsstaat besteuert werde. Dies sei durch Art. 1 Abs. 1 ZLRL untersagt. Die Richtlinie ordne die Befreiung von allen Steuern an. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage stehe nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 4. Oktober 2001 C-294/99 (Slg. 2001, I-6813 – Athinaïki Zythopoiia) der Erhebung einer Quellensteuer gleich. Ferner verstoße die Hinzurechnung gegen die Niederlassungsfreiheit des EGV. Denn die Klägerin hätte mit einer inländischen Muttergesellschaft einen Organkreis bilden können; in diesem Fall wäre es nicht zu einer Hinzurechnung gekommen.
Das FA wies den Einspruch zurück. Die ZLRL solle lediglich den Empfänger der Zinsen entlasten, nicht aber den Zinsschuldner. Die Hinzurechnung sei nicht als gesonderte Art der Besteuerung anzusehen, sondern als Gewinnermittlungsvorschrift. Solche Vorschriften würden aber nicht in den Anwendungsbereich der ZLRL fallen. Die fehlende Möglichkeit zur Bildung eines Organkreises führe nicht zu einer Diskriminierung, da die Zinsen im Organschaftsfall gar nicht als Betriebsausgaben abziehbar wären.
Im Klageverfahren hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass Art. 1 Abs. 10 i.V.m. Art. 3 Buchst. b) der ZLRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn zwischen den beiden Unternehmen nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren eine unmittelbare Kapitalbeteiligung von mindestens 25% bestanden hat, und dass es an einer solchen dauerhaften Beteiligung im Streitfall noch fehlt.
Die Klägerin vertritt hierzu die Auffassung, nach der Rechtsprechung des EuGH stehe es der Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit einer EG-Richtlinie nicht entgegen, wenn de...