Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung von Nachzahlungen zu Kostenbeiträgen für eine Heimunterbringung eines behinderten Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1) Nachzahlungen zu Kostenbeiträgen für eine Heimunterbringung eines behinderten Kindes sind bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes erst ab dem Monat der Zahlung zu berücksichtigen.
2) Das Monatsprinzip steht einer rückwirkenden Berücksichtigung entgegen.
Normenkette
EStG §§ 62-63, 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist die leibliche Mutter des im August 1988 geborenen N 2 (N 2) N 2 ist seit seinem 14. Lebensjahr mit einem Grad der Behinderung von 70 und dem Merkzeichen G schwerbehindert.
N 2 absolvierte zunächst eine Schulausbildung, welche er im Juli 2009 mit erfolgreicher Abiturprüfung abschloss. Zum 1. September 2009 begann N 2 eine Ausbildung bei der Stadt U im mittleren Verwaltungsdienst als Beamter auf Widerruf (Diplomverwaltungswirt). Während der Ausbildung befand sich N 2 krankheitsbedingt vom 1. November 2011 bis zum 30. April 2012 im Urlaub ohne Dienstbezüge. Während dieser Zeit befand sich N 2 von November bis Dezember 2011 in einer stationären Behandlung im Krankenhaus R. M brach die Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt ab und schied Anfang Juni 2012 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf aus.
Zum 13. Juni 2015 nahm N 2 eine Vollbeschäftigung bei der Stadt U im allgemeinen Verwaltungsdienst auf. Er wurde in die Entgeltgruppe sechs eingruppiert. N 2 erzielte aus seiner Tätigkeit ab Januar 2016 ein Bruttogehalt i.H.v. rund 2.236 EUR bei einem ausgezahlten Nettolohn i. H. v. von rund 1.443 EUR.
Seit dem 1. August 2012 wohnte N in einer stationären Einrichtung. Die Kosten der Unterbringung und Betreuung im Wohnheim werden vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. SGB XII) getragen. Die Kosten betragen monatlich 850 EUR für den Lebensunterhalt und 3.200 EUR für die fachliche Hilfe.
N 2 wurde mit seinen Einkünften aus seiner nichtselbständigen Arbeit vom LWL zu einer Kostenbeteiligung i.H.v. monatlich 506,45 EUR in 2015 bis April 2016 herangezogen; durch Änderungsbescheid vom 29.04.2016 wurde N 2 rückwirkend für das gesamte Jahr 2015 zu einer erhöhten Kostenbeteiligung i. H. v. 738 EUR und ab Januar 2016 i. H. v. 845,81 EUR monatlich herangezogen. Der Nachzahlungsbetrag für die Monate Januar 2015 bis einschließlich April 2016 i. H. v. insgesamt 3.949,19 EUR war zum 13.05.2016 zu entrichten.
Die Klägerin wurde vom LWL seit dem 01.01.2016 nach § 94 Abs. 2 SGB XII i. V. m. §§ 1601 ff. BGB zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag i. H. v. 28,38 EUR herangezogen.
Eine Anfrage der Familienkasse bei der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit im Juli 2015 ergab, dass N 2 „nach den vorhandenen Unterlagen” die Voraussetzungen für eine Mehrfachanrechnung nach § 76 Abs. 1 SGB IX ab dem 13. Juni 2015 nicht erfülle.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2015 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab dem 1. Juli 2015 auf und forderte die Klägerin zur Rückerstattung des für Juli 2015 gezahlten Kindergeldes i.H.v. 140 EUR auf. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 26. August 2015). Das dagegen gerichtete Klageverfahren (Az. 12 K 2883/15 Kg) wurde durch Klagerücknahme abgeschlossen.
Der parallel zum Klageverfahren 12 K 2883/15 Kg gestellte Kindergeldantrag für Januar 2016 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 15.11.2016 abgelehnt. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2016 zurückgewiesen.
Mit der dagegen gerichteten Klage macht die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im vorausgegangenen Klageverfahren zum einen geltend, N 2 sei aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Kosten der stationären Heimunterbringung überstiegen seine Einkünfte und Bezüge. N 2 lebe seit drei Jahren in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. Nur aufgrund der intensiven Betreuung und Unterstützung in dieser Einrichtung sei er überhaupt in der Lage, berufstätig zu sein. Die Kosten würden vom LWL getragen, was unstreitig ist. Sein Einkommen werde mit Ausnahme eines Absetzungsbetrages nach § 80 Abs. 3 S. 2 SGB XII vom LWL herangezogen.
Die Voraussetzungen für eine Mehrfachanrechnung seien zudem gegeben. M habe zunächst bei der Stadt U eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert. Er sei dort anschließend zum 13. Juni 2015 in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis übernommen worden. Nach § 76 Abs. 2 S. 4 SGB IX sei im ersten Jahr der Beschäftigung nach Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis kraft Gesetzes eine Mehrfachanrechnung (zwei Pflichtarbeitsplätze) gegeben.
Zudem werde sie, die Klägerin, ab Januar vom Sozialleistungsträger zu einem Unterhaltsbeitrag herangezogen, was unstreitig ist. Ein Unterhaltsanspruch ihres – Sohnes nach § 1602 BGB set...