Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich des Halbteilungsgrundsatzes - Wiederkehrende Leistungen für Verzicht auf zuvor unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht keine dauernde Last - Keine Zwangsläufigkeit bei den Höchstbetrag nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG übersteigenden Unterhaltsleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Schließt der Steuerpflichtige einen Vertrag, in dem er sich freiwillig verpflichtet, seinem Vertragspartner eine monatliche Rente zu zahlen, und verzichtet dieser dafür auf ein ihm zuvor unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht, sind die monatlichen Rentenzahlungen nicht als dauernde Last im Rahmen der Sonderausgaben abziehbar.
2) Unterhaltszahlungen, die den - am typisierten Existenzminimum ausgerichteten - Höchstbetrag des § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG 1996 überschreiten, sind nicht als zwangsläufig anzusehen.
3) Der Beschluss des BVerfG v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 entfaltet keine bindende Wirkung mit Gesetzeskraft für die Einkommensteuer.
4) Bei der Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes sind die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag nicht in die Belastungsrechnung einzubeziehen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2, §§ 33, 33a Abs. 1; GG Art. 3, 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 1
Nachgehend
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuer (ESt), der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer 1997 unter Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes zu reduzieren sind und darüber, ob für die Schwiegermutter des Klägers (Kl.) erbrachte Ausgaben als dauernde Last (dL) nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG oder als außergewöhnliche Belastung (aB) nach §§ 33, 33 a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sind.
Die verheirateten Kl. werden zur ESt zusammenveranlagt. In den ESt-Erklärungen der Streitjahre machten die Kl. folgende Zahlungen an die Schwiegermutter, Frau A., als dL i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr 1 a EStG geltend:
1994 |
1995 |
1996 |
1997 |
6.000,00 DM |
7.200,00 DM |
41.809,00 DM |
19.725,00 DM |
Bis einschließlich 1994 hatte der Kl. an die Schwiegermutter 550,00 DM und ab dem 1.1.1995 bis zu deren Unterbringung in einem Altenpflegeheim monatlich 600,00 DM gezahlt. Darüber hinaus hat die Schwiegermutter eine BfA-Rente bezogen, die zuletzt vor der Unterbringung im Altenpflegeheim eine monatliche Höhe von 1.596,49 DM erreichte. Seit dem 20.10.1995 wurde Frau A. – seit 1997 als Schwerstpflegefall (Pflegestufe III, 100 % Behinderung) – in einem städtischen Altenpflegeheim betreut. Die BfA-Rente wurde seither direkt an die Stadt B. – Sozialamt – überwiesen.
Der Kl. hatte sich durch notariellen Vertrag vom 2.6.1967 gegenüber seiner Schwiegermutter unter Bezugnahme auf § 323 ZPO zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 100,00 DM verpflichtet. Eine Gegenleistung war nicht vereinbart worden. Mit Vertrag vom 1.8.1973 ersetzten die Parteien diese Vereinbarung durch eine neue Regelung. Der Kl. räumte der Schwiegermutter an einer Wohnung im Haus B. C.-str. 12 ein Nießbrauchsrecht ein. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 23.12.1978 wurde das vereinbarte Nießbrauchsrecht durch ein Nießbrauchsrecht an einer anderen Wohnung mit höheren Mietüberschüssen ausgetauscht. Schließlich verpflichtete sich der Kl. durch notariellen Vertrag vom 13.6.1984, an die Schwiegermutter auf deren Lebenszeit eine monatliche Rente in Höhe von 500,00 DM zu zahlen. Der Rentenbetrag sollte Versorgungscharakter haben und § 323 ZPO anwendbar sein. Die oben genannte Nießbrauchsrechtsvereinbarung sollte für die Zeit ab 1.1.1984 endgültig erledigt sein.
In den ESt-Bescheiden 1994-1996 vom 9.12.1998 bzw. 1997 vom 10.12.1998 lehnte der Beklagte (Bekl.) die Berücksichtigung der Zahlungen an die Schwiegermutter als Sonderausgaben mit dem Hinweis ab, es würde sich um Unterhaltsbeträge handeln, die nach § 12 EStG vom Sonderausgaben-Abzug ausgeschlossen seien.
Gegen die Bescheide erhoben die Kl. jeweils Einspruch. In der Begründung tragen sie unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, die Nichtberücksichtigung der Zahlungen an die Schwiegermutter verstoße gegen die Verfassungsgebote der Gleichbehandlung und des Schutzes von Ehe und Familie. Der durch die Zahlung der Versorgungsleistungen geminderten Leistungsfähigkeit würde nicht Rechnung getragen.
Im übrigen würde der ESt-Bescheid 1997 den Halbteilungsgrundsatz verletzen, soweit die Gesamtsteuerbelastung 50 % des zu versteuernden Einkommens von 1.793.970 DM (festgesetzte Steuern: 1.003.436,82 DM – 50 % von 1.793.970 DM = 896.985 DM; Differenz: 106.451,82 DM) übersteige.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid 1994 wegen anderer Streitpunkte und wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.10.1999 zurück. Der Berücksichtigung der Zahlungen an die Schwiegermutter als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG stünde das Abzugsverbot nach § 12 Nr. 2 3. Alt. EStG entgegen. Es würde sich um Unterhaltsleistungen an die Schwiegermutter handeln, di...