Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Gesamtplan bei An- und Verkauf verschiedener EURO-STOXX-Zertifikate in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Klagebefugnis ist auch dann gegeben, wenn der Kläger sich gegen die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer wendet und diese dazu führen kann, dass der Kläger bei späteren Steuerfestsetzungen Nachteile erleidet.
2. Ein Verlustfeststellungsbescheid entfaltet inhaltliche Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung im Folgejahr, die wiederum in den Verlustfeststellungsbescheid des Folgejahres einfließt.
3. Die durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 mit der Abgeltungsteuer eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen bedingen eine widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht, die auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich und für jede einzelne Kapitalanlage geprüft werden muss.
4. Zertifikate sind Schuldverschreibungen i.S. des § 793 BGB, die an der Börse gehandelt werden. Sie verbriefen den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe vom zu Grunde liegenden Index zum Laufzeitende abhängt. Der Anleger stellt dem Emittenten somit einen Geldbetrag zur Verfügung und hat am Erfolg oder Misserfolg des Börsengeschäfts teil.
5. Wenn ein Steuerpflichtiger Finanzinstrumente mit sog. Hebelwirkung erwirbt, kann er sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen. Ein steuerschädlicher Gesamtplan i.S. der sog. Gesamtplan-Rechtsprechung mit einer zielgerichteten, künstlichen Zergliederung eines einheitlichen wirtschaftlichen Sachverhalts ist dabei nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einem Jahr EURO-STOXX-Zertifikate veräußert, einen Veräußerungsgewinn erzielt und diesen Gewinn mit Altverlusten verrechnet, während er im Folgejahr Verluste aus der Veräußerung anderer EURO-STOXX-Zertifikate eines anderen Emittenten erzielt. Eine solche Gestaltung ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich nach § 42 AO anzusehen, denn es steht im Belieben eines Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem Risiko er von ihm gehaltene Wertpapiere ankauft, verkauft und danach wieder kauft und verkauft.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 4, § 20 Abs. 2, 4; EStG a.F. § 23; EStG § 32d; AO § 42; BGB § 793; FGO § 40 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von sog. „EURO STOXX 1” und „EURO STOXX 2” Zertifikaten im Jahr 2010.
Die Kläger wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus Beteiligungen, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstigen Einkünften erzielten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Am 14.10.2009 erwarb der Kläger 250 Zertifikate „EURO STOXX 1” zu einem Gesamtpreis von X €. Der Preis pro Zertifikat betrug hierbei X €, der sich aus einem Emissionspreis von X € und einem Agio von 0,25 % (X €) zusammensetzte. Emittentin war die Bank 1. Als Fixingtag wurde der 22.10.2009 vereinbart, zu dem der Schlusskurs des Dow Jones EURO STOXX 50 mit 100 % als Fixingniveau festgesetzt wurde. Als finaler Bewertungstag wurde der 03.12.2010 festgelegt.
Des Weiteren wurde eine Rückzahlung von 172 % des Basisbetrages, also 172 % von X € vereinbart, sofern der Schlusskurs am finalen Bewertungstag unter dem Schlusskurs des Dow Jones EURO STOXX 50 am Fixingtag liegen sollte. Bei einem Schlusskurs in Höhe von oder über dem Fixingniveau sollten lediglich 28 % des Basisbetrages zurückgezahlt werden. Als Rückzahlungstermin war der 21.01.2011 vorgesehen.
Am 19.10.2009 erwarb der Kläger sodann weitere 250 Zertifikate „EURO STOXX 2” zu einem Gesamtpreis von X €. Der Preis pro Zertifikat betrug X €, der sich aus einem Emissionspreis von X € und einem Agio von 0,25 % (X €) zusammensetzte.
Emittentin dieser Zertifikate war die Bank 2. Als Fixingtag wurde der 22.10.2009 vereinbart, zu dem der Schlusskurs des Dow Jones EURO STOXX 50 mit 100 % des Fixingniveaus festgesetzt wurde. Als finaler Bewertungstag wurde der 03.12.2010 vereinbart. Sollte der Schlusskurs zum finalen Bewertungstag auf oder über dem Fixingniveau liegen, sollten 177 % des Basisbetrages zurückgezahlt werden. Sollte der Schlusskurs unter dem Schlusskurs am Fixingtag liegen, sollten lediglich 23 % des Basisbetrages zurückgezahlt werden. Als Rückzahlungstag wurde der 02.02.2011 vereinbart.
Im Einzelnen unterlagen die Zertifikate folgenden Konditionen:
Konditionen |
1 |
2 |
Emittentin |
Bank 1, Niederlassung |
Bank 2, |
Fixingtag |
22.10.2009 |
22.10.2009 |
Emissionstag |
29.10.2009 |
29.10.2009 |
Finaler Bewertungstag |
03.12.2010 |
03.12.2010 |
Rückzahlungstag |
21.01.2011 |
02.02.2011 |
Basiswert (Preisindex) |
Dow Jones Euro STOXX 50 |
Dow Jones Euro STOXX 50 |
Fixingniveau Schlusskurs des Index am |
22.10.2009 |
22.10.2009 |
Basisbetrag |
X € |
X € |
Basiswert unter Fixingniveau |
X € |
X € |
Basiswert gleich oder über Fixingniveau |
X € |
X € |
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Bericht der Betriebsprüfung vom 28.08.2014 verwiesen (Bl. 8 – 9 GA).
Am 03.12.2010, dem finalen Bewertungstag, lag...