Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Definition der Überentnahme
Leitsatz (amtlich)
Eine Überentnahme liegt auch dann vor, wenn sie sich nur aus Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre ergibt (Tz. 23 des BMF-Schreibens vom 22.05.2000; BStBl I 2000, S. 588 ff.), im Wirtschaftsjahr selbst jedoch eine Unterentnahme vorlag.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4a
Tatbestand
Streitig ist, ob der Abzug betrieblicher Schuldzinsen wegen Überentnahmen begrenzt ist.
Der Kläger ermittelt seine gewerblichen Einkünfte nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 erklärte der Kläger einen Gewinn in Höhe von 65.862 DM. Eine Hinzurechung von nach § 4 Abs. 4a begrenzt abziehbaren Schuldzinsen hatte er nicht vorgenommen. Als Anlage zur Bilanz fügte er folgende Berechnung bei:
Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre |
119.625,00 DM |
Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre |
0,00 DM |
Unterentnahmen für 2000 |
54.069,00 DM |
Ergebnis 2000 und Vorjahre (Überentnahmen) |
65.856,00 DM |
Berechnung des Höchstbetrages: |
|
Summe der betrieblichen Schuldzinsen |
24.212,00 DM |
abzüglich Zinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG |
19.646,00 DM |
abzüglich Sockelbetrag nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG |
4.000,00 DM |
Höchstbetrag |
566,00 DM |
dem Abzugsverbot unterliegende Schuldzinsen |
0,00 DM |
Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre |
119.625,00 DM |
Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre |
0,00 DM |
Im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 26. September 2001 erhöhte der Beklagte den erklärten Gewinn um nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen in Höhe von 566,00 DM auf 66.428,00 DM. Die Festsetzung stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29. August 2002 als unbegründet zurückgewiesen; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrechterhalten.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4a EStG sei im Streitjahr 2000 nicht von nicht abzugsfähigen Schuldzinsen auszugehen. Der Kläger habe zwar im Jahr 1999 Überentnahmen getätigt, nicht jedoch in 2000. Im laufenden Wirtschaftsjahr 2000 seien im Gegenteil Unterentnahmen getätigt worden. Eine Berücksichtigung der Überentnahmen von Vorjahren komme nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG nur in Frage, soweit neben den Überentnahmen des laufenden Jahres auch Überentnahmen von Vorjahren vorlägen. Die typisierte Nichtabzugsfähigkeit von Schuldzinsen erfasse aber nicht den Fall, dass bei Nur-Vorjahres-Überentnahmen eine Korrektur erfolgen solle. Hätte der Gesetzgeber diesen Fall erfassen wollen, so hätte er den Wortlaut anders fassen müssen. Diese Meinung werde auch überwiegend in der steuerrechtlichen Literatur vertreten.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 26. September 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2002 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn wie erklärt mit 65.862 DM angesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, nach den Ausführungen im BMF-Schreiben vom 22.05.2000 (BStBl I S. 588) Tz. 23 und 24 lägen Überentnahmen auch dann vor, wenn sie sich lediglich aus Überentnahmen vorausgegangener Wirtschaftsjahre ergäben. Dementsprechend setze § 4 Abs. 4a EStG nicht voraus, dass im Wirtschaftsjahr 2000 selbst eine Überentnahme vorliege.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Senat folgt den Gründen der Einspruchsentscheidung, in der der Beklagte ausschließlich auf die Regelungen in Tz. 23 und 24 des BMF-Schreibens vom 20. Mai 2000 (BStBl I 2000, S. 588 ff.) verweist, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 105 Abs. 5 FGO).
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Senat geht davon aus, dass die Regelung in Ziffer 23, 24 des BMF-Schreibens vom 22.05.2000 (BStBl I 2000, S. 588 ff.), wonach eine Überentnahme auch dann vorliegt, wenn sie sich nur aus Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre ergibt, dem Willen des Gesetzgebers entspricht und sich aus der Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG ergibt. Dafür spricht insbesondere auch Satz 4 der Vorschrift, auch wenn dieser sich zunächst als reine Berechnungsvorschrift liest. Satz 2 steht dieser Auslegung nach Auffassung des Senats nicht entgegen. Beide Sätze müssen vielmehr in einem einheitlichen Zusammenhang ausgelegt werden. Die Auslegung muss sich dabei auch an verfassungsrechtlichen Grundsätzen orientieren, d.h. u.a. auch mit dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG vereinbar sein. Eine am Gleichheitssatz orientierte Auslegung gebietet es, über den Wortlaut des Satzes 2 hinaus auch dann von Überentnahmen auszugehen, wenn im Wirtschaftsjahr selbst zwar keine Überentnahme getätigt wurde, jedoch unter Einbeziehung von Überentnahmen der Vorjahre insgesamt eine Überentnahme vorliegt. Andernfalls wären gezielte Manipulation...