Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der medizinischen Notwendigkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Erkrankung
Leitsatz (redaktionell)
Ein erst nachträglich ausgestelltes amtsärztliches Attest kann dann als Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung zugelassen werden, wenn sich die Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attests nicht bereits aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aufdrängen musste.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Aufwendungen für eine Unterbringung des Sohnes der Kläger in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes -EStG-.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 machten die Kläger Aufwendungen für die Heimunterbringung ihres am 26.Mai 1982 geborenen Sohnes in Höhe von 60.351,-- DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Steuererklärung waren Rechnungsbelege der sozialtherapeutischen Wohngruppen GmbH in ... vom 30. Januar 1998 beigefügt (B. 18 f. d. ESt-Akte).
In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 13. November 2000 berücksichtigte der Beklagte diese Aufwendungen nicht.
Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch begründeten die Kläger damit, dass diese Aufwendungen zwangsläufig entstanden seien. Ihr Sohn sei im Regelschulbereich nicht mehr beschulbar gewesen und habe der Aufnahme, in eine stationäre Einrichtung, hier in eine sozialtherapeutische Wohngruppe, bedurft. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit legten sie eine fachärztliche Kurzstellungnahme vom 05. November 2000 (BI. 53 d. ESt-Akte) vor, in der bestätigt wurde, dass die Einweisung des Sohnes in die Sozialtherapeutische Einrichtung ... in der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.06.1999 aus fachärztlicher Sicht erforderlich gewesen sei. Dieses Schreiben ist auf der Rückseite mit folgendem am 04. April 2001 erstellten Vermerk der Amtsärztin der Kreisverwaltung - Gesundheitsamt - des ...reises versehen: "Die umseitigen Angaben werden amtsärztlicherseits bestätigt" (BI. 53 R d. ESt-Akte).
Die Kläger trugen hierzu vor, dass ein amtsärztliches vor einer Behandlung erstelltes Attest, wie dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Legasthenie- oder psychotherapeutischen Behandlungen erforderlich sei, hier nicht verlangt werden könne. Anders als in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen sei im Streitfall die medizinische Notwendigkeit eindeutig und die private Lebensführung berührende Motive bereits auf Grund der Institution, in die ihr Sohn eingewiesen worden sei, ausgeschlossen. Im Übrigen stelle der Bundesfinanzhof -BFH- an die analoge Anwendung der Formerfordernisse selbst hohe Anforderungen.
Mit Entscheidung vom 25. April 2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Der Beklagte führte aus, dass es bei Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die Behandlung einer Erkrankung erwüchsen, für die steuerliche Berücksichtigung i.S.d. § 33 EStG zum Nachweis dafür, dass es sich um eine Erkrankung handele, stets eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attestes hierüber bedürfe. Weder die Finanzbehörden noch die Gerichte, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer gesetzlichen Krankenkasse nach § 278 des Sozialgesetzbuches V -SGB V - besäßen zugleich die Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation von solchen nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinen Patienten objektiv beurteilen zu können. Diese Nachweisführung habe der BFH in ständiger Rechtsprechung stets bestätigt; es sei daher unerheblich, ob es sich bei den im Streitfall ergriffenen Maßnahmen um psychotherapeutische, sozialtherapeutische oder sonstige Behandlungsschritte gehandelt habe. Die vorgelegte "Fachärztliche Kurzstellungnahme" vom 05. November 2000 und die amtsärztliche Bestätigung vom 04. April 2001 seien erst nach erfolgter Behandlung erstellt und ließen nicht einmal erkennen, an welcher Krankheit der Sohn der Kläger leide. Sie stellten daher kein ordnungsgemäßes amtsärztliches Attest dar.
Nachträgliche amtsärztliche Bestätigungen seien im Übrigen nur dann als ausreichender Beleg anzusehen, wenn sich die Vorschriften über die Nachweisführung geändert hätten, was hier nicht der Fall sei. Bereits die Einkommensteuerrichtlinien 1996 EStR 1996 hätten auf die Notwendigkeit eines vorherigen amtsärztlichen Attestes bei psychotherapeutischen Maßnahmen hingewiesen.
Auch die Krankenkasse habe sich an den Aufwendungen der Kläger nicht beteiligt. Im Übrigen sei der Gesamtaufwand i.H.v. 60.351,-- DM im einzelnen nicht nachgewiesen. So fehle insbesondere eine Aufteilung der Aufwendungen in unmittelbare Krankheitskosten einerseits und Lebenshaltungskosten andererseits, die bereits durch andere steuerliche Vergünstigungen abgegolten seien.
Mit ihrer hierge...