I. Vollabzug – Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung
Rz. 40
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, so ist der Abzug der Aufwendungen der Höhe nach nicht beschränkt (§ 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b Satz HS 2 EStG aF und nunmehr § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b Satz 2 EStG). Das kommt zB für eine kleine Praxis für > Architekten, > Steuerberater oder > Rechtsanwälte und ähnliche Freiberufler, für Hausgewerbetreibende oder für zuhause tätige Autoren, Blogger, Herausgeber, > Influencer, > Publizisten, > Schriftsteller, Wissenschaftler oder ähnliche Selbständige in Betracht. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, hängt von den im Einzelfall zu treffenden tatsächlichen Feststellungen ab; dies obliegt dem FG als Tatsacheninstanz (BFH 201, 106 = BStBl 2004 II, 59). Dieser Mittelpunkt kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der gesamten Betätigung festgestellt werden (BFH/NV 2009, 585; BMF vom 06.10.2017, Rz 9 ff, BStBl 2017 I, 1320, > Anh 2 Arbeitszimmer). Das gilt für alle Berufsgruppen (BFH 224, 458 = BStBl 2009 II, 850; BFH/NV 2010, 2053) und auch in Fällen, in denen nicht der den Abzug begehrende ArbN, sondern sein bei ihm angestellter Ehegatte das Arbeitszimmer im gemeinsamen Haus beruflich nutzt (BFH/NV 2010, 1442). Lässt sich der qualitative Mittelpunkt der Tätigkeit nicht feststellen, scheidet ein (unbegrenzter) Abzug der Aufwendungen aus (BFH/NV 2004, 29). Zur > Beweislast > Rz 31. Zum Mittelpunkt der betrieblichen oder/und beruflichen Tätigkeit beim häuslichen Arbeitszimmer vgl auch von Bornhaupt, DB 2003, 2668, sowie Paus, Inf 2006, 141.
Rz. 41
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung ist nicht isoliert für einzelne, sondern für sämtliche betrieblichen und beruflichen Betätigungen des Stpfl im Rahmen der sieben Einkunftsarten (vgl § 2 Abs 1 EStG; > Einkünfte Rz 1) zu bestimmen (BFH 189, 438 = BStBl 2000 II, 7; BFH/NV 2009, 161). ‚Mittelpunkt’ idS ist ein häusliches Arbeitszimmer, wenn der Stpfl dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für die insgesamt ausgeübte Berufsarbeit wesentlich und prägend sind. Maßgeblich ist insoweit der inhaltliche (qualitative) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung (BFH 201, 100 = BStBl 2004 II, 65; BFH/NV 2014, 509; 2015, 177; zum zeitlichen Umfang der Nutzung > Rz 42). Das ist etwas anderes als das Verhältnis der zu Hause und auswärts verdienten > Einnahmen, das nicht bestimmend ist (BFH/NV 2003, 688 unter II 1f). Es reicht auch nicht aus, wenn ausschließlich im Arbeitszimmer eine Tätigkeit verrichtet wird, die lediglich einer von mehreren Einkunftsarten dient wie zB die Anlageentscheidungen für die Einkünfte aus KapVerm (BFH 224, 458 = BStBl 2009 II, 850; > Rz 43). Der qualitative Schwerpunkt liegt im häuslichen Arbeitszimmer, wenn dort der Teil der Berufsarbeit geleistet wird, mit dem die Einkünfte im Wesentlichen erwirtschaftet werden. Der Mittelpunkt einer Vollzeitbeschäftigung ist insoweit von besonderer Bedeutung (BFH/NV 2005, 174). Im Einzelnen stellen Literatur und Rechtsprechung darauf ab, ob die im Arbeitszimmer entfaltete Tätigkeit nach der Verkehrsauffassung als typisch und prägend für den Beruf anzusehen ist, sich in dessen Kernbereich abspielt und nach dem Berufsbild als die Haupttätigkeit anzusehen ist. Der Erarbeitung geschäftsleitender Ideen und unternehmerischen Entscheidungen kommt nur dann entscheidende Bedeutung zu, wenn diese die Tätigkeit des Stpfl prägen (Kernbereich) und nicht lediglich die eigentliche, im Außendienst geleistete Arbeit vor/nachbereiten und unterstützen. Es kommt also im Wesentlichen darauf an, wo der Stpfl die für seinen Beruf wesentlichen Leistungen erbringt.
Rz. 41/1
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Dafür soll es allein auf das Tätigwerden des Stpfl ankommen. Unerheblich ist es danach, ob das Arbeitszimmer auch bei körperlicher Abwesenheit des Stpfl beruflich genutzt wird, zB als Raum, in dem Büromaschinen, Büromaterial, Werbematerial, Warenproben, Akten, > Fachliteratur (FG München vom 25.01.2007 – 6 K 2531/05, BeckRS 2007, 26022 756 = HaufeIndex 1 711 630, ablehnend bei einem in einem Krankenhaus angestellten Arzt) und sonstige Unterlagen aufbewahrt werden und der Telekommunikation dienende Geräte angeschlossen sind. Das sind aber uE zumindest Beweisanzeichen für den Ort und Umfang der Arbeitsleistung. Zeiten, in denen die beim Ehemann geringfügig beschäftigte Ehefrau im häuslichen Arbeitszimmer arbeitet, um bei Abwesenheit des Ehemanns Anfragen entgegen zu nehmen und Auskünfte zu erteilen, werden der Tätigkeit des Ehemanns nicht zugerechnet. UE gehört aber die Tätigkeit eines Erfüllungsgehilfen im Rahmen der qualitativen Gesichtspunkte zur "gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" des Stpfl; das ist nur beim quantitativen Element anders (vgl BFH/NV 2003, 146).
Rz. 42
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Wertung nur eine indiziell...