Rz. 55
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
Die Ankündigung von Prüfungshandlungen oder die mündliche oder schriftliche Aufforderung, Belege vorzulegen oder bestimmte Fragen zu beantworten, sind im Allgemeinen nicht selbständig anfechtbare Prüfungshandlungen (BFH 187, 386 = BStBl 1999 II, 199; EFG 2017, 1052 --NZB, BFH I B 55/17). Ein Mitwirkungsverlangen des Prüfers wird nur dann als eigenständiger > Verwaltungsakt iSd § 118 AO (vgl dazu mwN EFG 2012, 1519) anfechtbar, wenn der Stpfl dies nach seinem objektiven Erklärungsinhalt als Maßnahme zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Einleitung eines Erzwingungsverfahrens auffassen muss (BFH 187, 386 – aaO in Abgrenzung zu BFH 140, 505 = BStBl 1984 II, 512). Zur Anwendung von > Zwangsmittel des Finanzamts oder zur > Schätzung vgl AEAO zu § 200 Nr 1. Kommt ein ArbG einem rechtswidrigen Verlangen nach, besteht ein Verwertungsverbot aber nur, wenn der Verwaltungsakt aufgehoben oder seine Rechtswidrigkeit festgestellt wird (vgl zB BFH 140, 518 = BStBl 1984 II, 790; > Rz 32ff). Selbst dann gilt es uE nur für die einzelne Prüfungshandlung; klärt der Prüfer den Sachverhalt mit Hilfe der rechtswidrig erlangten Kenntnisse weiter auf, so werden die neuen Erkenntnisse uE vom Verwertungsverbot nicht erfasst (vgl BFH 148, 400 = BStBl 1987 II, 284; kritisch Schmidt-Liebig, BB 1987, 2139 [2143ff]).
Rz. 56
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
Der Prüfer kann auch Sachverhalte aufgreifen, die von einer Vorprüfung anders beurteilt worden sind. Der Grundsatz der > Abschnittsbesteuerung berechtigt das FA, die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen für jeden VZ neu zu prüfen und rechtlich zu würdigen (BVerfG vom 20.12.1989 – 1 BvR 1269/89, HFR 1990, 517). Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss das FA zum frühesten Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Stpfl auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Das FA ist deshalb grundsätzlich nicht an die bei einer früheren Ap vertretene Rechtsauffassung gebunden (BFH/NV 1991, 217 mwN). Eine Ausnahme von diesen allgemeinen Grundsätzen gilt nur dann, wenn das FA verbindliche > Auskünfte und Zusagen des Finanzamts erteilt oder durch sein früheres Verhalten nach > Treu und Glauben einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl BFH 232, 5 = BStBl 2011 II, 479 Rz 26). In Umkehrung des Falls bei der Anrufungsauskunft (> Auskünfte und Zusagen des Finanzamts Rz 46) ist aber das > Betriebsstätten-Finanzamt an Auskünfte, die das > Wohnsitz-Finanzamt einem ArbN gegeben hat, uE formal nicht gebunden; derartige Bindungswirkungen kann nur der Gesetzgeber schaffen (vgl Richter/Welling, FR 2017, 173 [176]).
Rz. 57
Stand: EL 115 – ET: 05/2018
Ein ArbG kann, wenn sein Verfahren bei einer Ap nicht beanstandet wird, nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der von ihm vorgenommene LSt-Abzug einwandfrei ist (BFH 82, 301 = BStBl 1965 III, 355); denn im Allgemeinen prüft das FA nicht lückenlos, sondern nur bestimmte Sachverhalte (vgl § 7 BpO; > Rz 19). Wenn aber der strittige LSt-Abzug Gegenstand einer Vorprüfung gewesen und vom Vorprüfer nicht beanstandet worden ist, muss sich ein ArbG grundsätzlich – und vorbehaltlich einer Änderung des Gesetzes – darauf verlassen können, dass die von ihm angewandte Art und Weise des LSt-Abzugs zutreffend ist (BFH 167, 359 = BStBl 1992 II, 696 Rz 6). Ebenso, wenn der Prüfer mit einer eindeutigen Aussage ein Vertrauen in eine bestimmte Sachbehandlung begründet hat. Dass die Ursache für einen Rechtsirrtum in der Sphäre des FA liegt, hat der ArbG im Zweifel aber nachzuweisen (> Haftung für Lohnsteuer Rz 107ff). IdR schließt die Nichtbeanstandung durch die Vorprüfung somit die Haftung des ArbG aus, nicht jedoch die Nachforderung beim ArbN (vgl BFH 164, 266 = BStBl 1991 II, 720; > Haftung für Lohnsteuer Rz 95ff).