Rz. 50

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann auf Rechtspflichten aller Art beruhen (zB Gesetz, Verwaltungsakt oder Vertrag). Leistungen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung für den Lebensbedarf Dritter sind grundsätzlich nur zwangsläufig, soweit der Stpfl selbst zur Leistung verpflichtet ist und soweit nicht andere Personen kraft Gesetzes vorrangig leistungspflichtig sind: Kommen mehrere leistungsfähige Personen als gesetzlich Unterhaltsverpflichtete in Betracht, so richtet sich die Zwangsläufigkeit nach der bürgerlich-rechtlichen Reihenfolge der Verpflichtung (§§ 1606ff BGB; vgl BMF vom 07.06.2010, > Anh 2 Unterhalt für Angehörige; ergänzend > Unterhaltsleistungen Rz 83 – 88; für die Anwendung von § 33a EStG lässt die FinVerw die Reihenfolge der Unterhaltspflichtigen allerdings vereinfachend außer Betracht – > R 33a.1 Abs 1 EStR). Leistungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung einer nahestehenden Person, zu denen der Stpfl nur sittlich (> Rz 55 ff), aber nicht rechtlich verpflichtet ist, darf das FA nicht als AgB nach § 33 EStG berücksichtigen (§ 33a Abs 4 EStG; > Rz 9).

 

Rz. 51

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Verpflichtungen des Erben: Aufwendungen zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten erwachsen idR nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, weil der Erbe die Möglichkeit hat, den Verbindlichkeiten durch Ausschlagung der Erbschaft auszuweichen (BFH 150, 351 = BStBl 1987 II, 715; einschränkend > Rz 75 Nachlassverbindlichkeiten). Entsprechendes gilt für die Kosten der standesgemäßen Bestattung des Erblassers (so auch EFG 2014, 44). Auf § 1968 BGB allein lässt sich die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen aus rechtlichen Gründen nicht stützen. Etwas anderes gilt, wenn sich für einen Unterhaltspflichtigen aus § 1615 Abs 2 BGB eine Rechtspflicht ergibt, die Kosten der Bestattung eines Unterhaltsberechtigten zu tragen (BFH 151, 380 = BStBl 1988 II, 130; > Bestattung).

 

Rz. 52

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen begründen für sich allein keine Zwangsläufigkeit; vielmehr muss die zur Rechtspflicht führende Vereinbarung ihre Ursache in einem für den Stpfl zwangsläufig eingetretenen Ereignis haben (> Rz 31). Entsprechendes gilt, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung oder einer tatsächlichen Zwangsläufigkeit beruht (BFH 185, 409 = BStBl 1998 II, 605). Die Zwangsläufigkeit ist deshalb idR nicht gegeben, wenn die rechtliche Verpflichtung Folge eines Ereignisses ist, das der Stpfl selbst zu vertreten hat (BFH 178, 207 = BStBl 1995 II, 774). Rechtliche Gründe idS sind nur solche Verpflichtungen, deren Ursachen der Stpfl nicht selbst gesetzt hat (BFH 147, 171 = BStBl 1986 II, 745; > Rz 42 ff sowie > Rz 75 Rechtliche Verpflichtung).

 

Rz. 53

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Tatsächliche Gründe beruhen auf Ereignissen, denen der Stpfl nicht ausweichen kann, wie Geburt, Krankheiten einschließlich Epidemien, Tod, und politische Verfolgung. Das Gleiche gilt für den lebensnotwendigen Bedarf oder die Abwehr anderer Bedrohungen für die Gesundheit und das Leben des Stpfl oder sehr naher Angehöriger. Dazu gehört zB der Austausch kontaminierten Lebensbedarfs (> Rz 75 Asbestsanierung) sowie die Scheidung einer Ehe (BFH 134, 286 = BStBl 1982 II, 116; > Ehescheidung). Zur Bedeutung des auslösenden Ereignisses > Rz 42. Ergänzend > Rz 75 Tatsächliche Verpflichtung.

 

Rz. 54

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen ist anzunehmen, wenn sich ein Stpfl nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Menschen zu den Leistungen verpflichtet fühlen kann. Angesichts erheblicher gesellschaftlicher Veränderungen ist es uE zunehmend problematisch, allgemeingültig zu bestimmen, was aus sittlichen Gründen zwingend ist; denn es reicht nicht aus, dass sich nur der Stpfl subjektiv für verpflichtet hält (glA H/H/R, § 33 EStG Anm 190). Da § 33 EStG ein Korrektiv für besondere Belastungen von Minderheiten ist, können uE deren religiösen und kulturellen Überzeugungen entspringende sittliche Verpflichtungen wohl nicht unbeachtet bleiben (> Rz 32, 33). Wohl auch deshalb hat der BFH die Anforderungen präzisiert und den Anwendungsbereich der Vorschrift verengt: Eine sittliche Verpflichtung setzt voraus, dass der Stpfl keine Möglichkeit hat, den Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen (BFH 124, 39 = BStBl 1978 II, 147; BFH 149, 240 = BStBl 1987 II, 432; BFH 150, 351 = BStBl 1987 II, 715 mwN). Die sittliche Verpflichtung muss gerade den Stpfl oder eine kleine Minderheit der Stpfl treffen (BFH 138, 343 = BStBl 1983 II, 453; BFH 149, 240 – aaO); idR also einer engen persönlichen Bindung zu dem Unterstützten entspringen. Die Sittenordnung muss das Handeln des Stpfl so unabdingbar fordern, dass die sittliche Pflicht einer Rechtspflicht gleichkommt oder zumindest ähnlich ist (vgl BFH 182, 352 = BStBl 1997 II, 558 mwN; BFH/NV 2002, 778). Ob es im Ergebnis noch ausgewogen ist, wenn die Hilfeleistung für entferntere...

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