Prozesskostenabzugsverbot im Falle von Kosten Dritter
Hintergrund: Aufwendungen für die Strafverteidigung des Sohnes
Streitig war, ob Eltern Aufwendungen für die Strafverteidigung ihres Sohnes als außergewöhnliche Belastung geltend machen können.
Die Eltern (Eheleute) machten für 2017 Strafverteidigungskosten für ihren in 1999 geborenen Sohn als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Das FA lehnte dies ab.
Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung: Generelles Prozesskostenabzugsverbot
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. Die Aufwendungen der Eheleute für die Strafverteidigung ihres Sohnes sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG
Voraussetzung für die Abziehbarkeit ist zunächst, dass die Aufwendungen den Leistenden als belastender zwangsläufiger Aufwand entstanden sind, weil sie sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnten. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob die Eheleute ihrem bereits volljährigen Sohn die Begleichung eines Vorschusses für die Kosten des Strafverfahrens tatsächlich als Unterhalt schuldeten (BGH v. 23.3.2005, XII ZB 13/05, NJW 2005, S. 1722). Zudem gründeten die Rechtsanwaltskosten auf einer Honorarvereinbarung. Nach allgemeinen Maßstäben erwachsen Kosten für einen Strafverteidiger jedoch allenfalls insoweit zwangsläufig, als sie nicht (aufgrund einer Honorarvereinbarung) über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegen (BFH v. 13.12.2016, VIII R 43/14, Rz. 24, BFH/NV 2017, S. 569).
Das Merkmal Zwangsläufigkeit kann offen bleiben
Ob und in welcher Höhe den Eheleuten die Kosten für die Strafverteidigung ihres Sohnes nach allgemeinen Grundsätzen zwangsläufig i.S. von § 33 EStG entstanden sind, kann im Streitfall offen bleiben. Denn selbst wenn die Eheleute ihrem Sohn gegenüber verpflichtet gewesen sein sollten, die Kosten zu tragen, sind die Aufwendungen jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen.
Abzugsverbot nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG
Danach sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Das Abzugsverbot erfasst nicht nur den Zivilprozess, sondern jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und auch Strafgerichten. Dieser Auslegung steht die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht entgegen (BFH v. 18.5.2017, VI R 9/16, BStBl II 2017, 988).
Generelles Abzugsverbot
Das Abzugsverbot gilt auch für die Kosten der Strafverteidigung eines Dritten. Denn das Abzugsverbot betrifft alle Fälle, in denen Aufwendungen durch das Tragen von Prozesskosten entstehen. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Anwendungsausschluss, wenn ein Steuerpflichtiger einem Dritten gegenüber verpflichtet ist, dessen Prozesskosten zu tragen. Vielmehr enthält § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ein generelles Abzugsverbot, das nur bei einer Existenzgefährdung des Steuerpflichtigen durchbrochen wird.
Kein Ausnahmefall
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, dass die Ausnahme der Existenzgefährdung im Falle von Prozesskosten für ein Strafverfahren, das sich gegen Dritte richtet, weitgehend leerlaufe. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, kann dahinstehen. Denn im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der dahingehende Ausnahmetatbestand der Existenzgefährdung in Person der Eheleute oder ihres Sohnes vorliegt.
Hinweis: Fortführung der Rechtsprechung
Der BFH bestätigt seine Rechtsprechung in dem Urteil v. 18.5.2017, VI R 9/16 (BStBl II 2017, 988). Dem generellen Abzugsverbot unterliegen danach seit 2013 die Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits in jedem gerichtlichen Verfahren. Dass die Entscheidung nach § 126a FGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung einstimmig getroffen wurde, bestätigt, dass die Problematik vom BFH als unstreitig und ausdiskutiert angesehen wird.
Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, dass § 33 EStG die subjektive Leistungsfähigkeit berücksichtigt und die Frage berührt, ab wann der Einzelne Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft hat. Hiervon ausgehend erscheint die Begrenzung auf Fälle der Gefährdung der (materiellen) Existenzgrundlage als zu eng. Bei einem staatlichen Eingriff sollte der Betroffene in seiner Abwehrsituation auf die Solidarität hoffen können.
BFH Beschluss vom 10.08.2022 - VI R 29/20 (veröffentlicht am 29.09.2022)
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