Rz. 7
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Eine abweichende Steuerfestsetzung kommt besonders wegen sachlicher Unbilligkeit in Betracht, die sich aus der Besteuerung selbst und nicht aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Stpfl ergibt (> Rz 4). Sie kann aber auch auf Gründen persönlicher Unbilligkeit beruhen (> Rz 5). Vgl für einen Überblick zu § 163 AO auch Bodden, DStR 2016, 1714.
Rz. 7/1
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
§ 163 AO betrifft die Festsetzung von Steuern und einzelner Besteuerungsgrundlagen (> Rz 2) einschließlich der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (T/K/Loose, § 163 AO Rz 13). So kann das FA die ESt bei der Veranlagung aus Billigkeitsgründen abweichend vom EStG festsetzen. Auf einer gesonderten Feststellung von Besteuerungsmerkmalen beruhen die für den LSt-Abzug benötigten > Lohnsteuerabzugsmerkmale (vgl § 39 Abs 1 Satz 4 EStG; sog ELStAM). Beim LSt-Abzug setzt der ArbG selbst zwar iSv § 163 AO keine Steuern fest. Soweit aber Besteuerungsgrundlagen durch das FA selbständig festgestellt werden, zB durch Bildung der > Lohnsteuerabzugsmerkmale (vgl § 39 Abs 4 EStG), liegt ggf bereits darin eine Billigkeitsmaßnahme iSd § 163 AO (vgl § 181 Abs 1 AO). In anderen Fällen ist der Steuerabzug oder auch ein – teilweiser – Verzicht darauf Grundlage für die Festsetzung der LSt auf Grund der Steueranmeldung (§ 168 AO; > Lohnsteuer-Anmeldung Rz 15 ff); dann ist auf diese Steuerfestsetzung für die Anwendung von § 163 AO abzustellen (> Rz 19).
Rz. 7/2
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
§ 163 AO ist auch bei dem als Steuervergütung gezahlten > Kindergeld anwendbar (vgl zB EFG 2003, 908). Ausgeschlossen ist eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO bei der Gewährung der Altersvorsorge-Zulage durch die ZfA (§ 96 Abs 1 Satz 2 EStG; > Private Altersvorsorge Rz 84). Entsprechendes gilt für die Wohnungsbau-Prämie (§ 8 Abs 1 WoPG) sowie für die ArbN-Sparzulage (vgl § 14 Abs 2 VermBG; > Anh 5.1). Das gilt aber nicht für § 227 AO (> Rz 13).
Rz. 8
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen kann ihre Grundlage in einer Einzelfallentscheidung oder Richtlinien der FinVerw, sog allgemeinen Gruppenregelungen haben. Über deren Sinn und Grenzen vgl BFH 105, 172 = BStBl 1972 II, 503 mwN; T/K/Loose, § 163 AO Rz 8 mwN; > Rechtsquellen des Lohnsteuerrechts Rz 6.
Rz. 9
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Beispiele: Die Steuerfreiheit von Beihilfen an private ArbN (> R 3.11 Abs 2 LStR; > Beihilfen Rz 41 ff); der SA-Abzug für Kirchenbeiträge (> R 10.7 Abs 1 EStR; BFH 196, 572 = BStBl 2002 II, 201); die Erweiterung des Lohnzahlungszeitraums für Künstler und verwandte Berufe (BMF vom 05.10.1990, BStBl 1990 I, 638; > Lohnzahlungszeitraum Rz 30); die Beschränkung des pauschalen Nutzungswerts auf die mit dem Firmenwagen zurückgelegte Teilstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte (> Kraftfahrzeuggestellung Rz 35); die Anerkennung einer Entgeltumwandlung für die > Betriebliche Altersversorgung Rz 21, wenn die Gehaltsänderungsvereinbarung bereits erdiente, aber noch nicht fällig gewordene Gehaltsanteile erfasst (> Gehaltsumwandlung; ergänzend > Arbeitszeitkonto Rz 16). Auch bei planwidrigem Zufluss einer Entschädigung in mehreren VZ sind allgemeine Billigkeitsmaßnahmen vorgesehen (> Außerordentliche Einkünfte Rz 101 ff, 113). Zur Steuerbefreiung von Bar- und Sachlohn bis 31.12.2012 beim > Bundesfreiwilligendienst Rz 2. Auf § 39e Abs 7 Satz 1 EStG beruht die Befreiung eines ArbG von der Beteiligung am Abrufverfahren.
Rz. 9/1
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Auf § 163 AO beruhen ferner die zahlreichen Anpassungsregelungen, mit denen die FinVerw zur Gleichbehandlung die Anwendung günstigeren Rechts nach einer für den Stpfl ungünstigen Änderung der Rechtsprechung anordnet (BFH 132, 264 = BStBl 1981 II, 319; > Rechtsquellen des Lohnsteuerrechts Rz 8); sie können auch für das FG bindend sein; Voraussetzung dafür ist, dass die Billigkeitsmaßnahme erkennbar der Steuerfestsetzung als bestandskräftiger Grundlagenbescheid zugrunde liegt (BFH 205, 270 = BStBl 2004 II, 927). Die FinVerw eines Landes ist allerdings nicht unbedingt zu Billigkeitsmaßnahmen verpflichtet, wenn in einzelnen anderen Bundesländern derartige Übergangsregelungen existieren (vgl EFG 2001, 728). Auch sog Vereinfachungsregelungen haben gelegentlich ihre Rechtsgrundlage in § 163 AO.
Rz. 10
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Die Entscheidung über die abweichende Festsetzung ist ein eigenständiger > Verwaltungsakt; er kann zB in der Feststellung eines Freibetrags im > Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren bestehen. Eine Entscheidung bei der > Veranlagung von Arbeitnehmern wird idR mit der Steuerfestsetzung im Steuerbescheid verbunden (§ 163 Abs 2 AO; > Rz 26, 28). Sie kann folglich vor, zusammen oder nach der Steuerfestsetzung getroffen werden. Im Verhältnis zur Steuerfestsetzung ist sie Grundlagenbescheid iSv § 171 Abs 10 AO (> Rz 25). Über einen vor Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrag auf Festsetzung einer niedrigeren Steuer ist aber auch nach Eintritt der Bestandskraft noch...