Rz. 67
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Zur übereinstimmenden Anwendung des DBA durch die Vertragsstaaten, vor allem auch zur Lösung sog Qualifikations- und Zurechnungskonflikte, sieht Art 25 OECD-MA ein Verständigungsverfahren vor, das in dieser oder ähnlicher Form in die deutschen DBA übernommen worden ist. Danach können Stpfl, die der Auffassung sind, dass Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten nicht dem DBA entsprechen, ihren Fall der zuständigen Behörde des Vertragsstaates vorlegen, in dem sie ansässig sind. Dies entspricht der Regelung im OECD-MA bis zum Jahr 2017. Seit dem 21.11.2017 sieht das OECD-MA vor, dass Stpfl eine entsprechende Eingabe in jedem Vertragsstaat machen können, also auch in dem, in dem sie nicht ansässig sind. Diese Regelung ist auch in dem von der OECD initiierten Multilateralem Instrument – MLI – (> Rz 303 ff) vorgesehen. Gegen diese Änderung hat Deutschland jedoch den Vorbehalt nach Art 16 Abs 5 Buchst a MLI eingelegt (vgl BT-Drs 19/20979, S 84), sodass Stpfl auch künftig ein Verständigungsverfahren nur in dem Vertragsstaat beantragen können, in dem sie ansässig sind. Maßgeblich ist dabei die Ansässigkeit in dem Jahr, für das die Doppelbesteuerung beseitigt werden soll (vgl FG Köln vom 16.02.2022 – 2 K 2875/19, HaufeIndex 15 137 638 zum DBA mit > Belgien). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Ansässigkeit strittig ist oder ein Fall der Diskriminierung vorgetragen wird.
Rz. 68
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Das Verständigungsverfahren nach Art 25 Abs 1 und 2 OECD-MA dient dazu, eine konkrete Doppelbesteuerung im Einzelfall zu verhindern oder zu beseitigen. Es kann eröffnet werden, wenn eine Person beanstandet, dass Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Staaten für sie zu einer dem DBA nicht entsprechenden Besteuerung führen. Dazu bedarf es eines schriftlichen Antrags, der innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen ist. Die Frist ergibt sich aus dem jeweiligen DBA. Das OECD-MA und der größte Teil der deutschen DBA sehen dafür eine Frist von 3 Jahren vor. Ist in einem DBA keine Frist vereinbart worden, stimmt die deutsche FinVerw der Einleitung eines Verständigungsverfahrens idR nicht zu, wenn der Stpfl den Antrag erst nach mehr als vier Jahren seit Bekanntgabe der doppelten Besteuerungsmaßnahme stellt (vgl BMF vom 27.08.2021 – Merkblatt zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren [Streitbeilegungsverfahren] auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen –, Rz 104, BStBl 2021 I, 1495).
Rz. 69
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens setzt nicht voraus, dass zuvor > Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden sind. Grundsätzlich können Verständigungsverfahren und innerstaatliche Rechtsbehelfsverfahren nebeneinander geführt werden. IdR wird eine Einigung in einem Verständigungsverfahren jedoch davon abhängig gemacht, dass anhängige Rechtsbehelfe, soweit sie Gegenstand des Verständigungsverfahrens sind, zurückgenommen werden. Außerdem können sich aus dem jeweiligen DBA Besonderheiten ergeben. So hängt nach Art 24 Abs 5 Satz 2 DBA > Japan und > Luxemburg die Einleitung eines Schiedsverfahrens (> Rz 75 ff) ua davon ab, dass zu der Angelegenheit noch keine rechtskräftige Gerichtsentscheidung in einem der Vertragsstaaten ergangen ist.
Rz. 70
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Nachdem ein Stpfl den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens gestellt hat, hat zunächst der Staat, bei dem der Antrag gestellt wurde zu prüfen, ob die Einwendungen begründet sind und ob er innerstaatlich in der Lage ist, die Doppelbesteuerung zu beseitigen bzw zu verhindern (Art 25 Abs 2 OECD-MA). Nur dann, wenn ein begründeter Antrag vorliegt und innerstaatlich die Doppelbesteuerung nicht vermieden werden kann, wird das eigentliche Verständigungsverfahren mit dem anderen Vertragsstaat eingeleitet. Hierauf hat der Stpfl idR einen Anspruch, es sei denn, die Doppelbesteuerung ist durch Rechtsmissbrauch oder mangelnde Mitwirkung des Stpfl entstanden (vgl BFH 136, 111 = BStBl 1982 II, 583). Auch die Aussichtslosigkeit eines Verständigungsverfahrens, die sich darin zeigen kann, das frühere Verständigungsverfahren in gleicher Angelegenheit ergebnislos geblieben sind, kann die Ablehnung eines Verständigungsverfahrens rechtfertigen (vgl EFG 2001, 27).
Rz. 71
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Nachdem ein Verständigungsverfahren mit dem anderen Vertragsstaat eingeleitet worden ist, sollen sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Dazu können sie unmittelbar miteinander verkehren, dh sie müssen keine diplomatischen Wege einhalten. Allerdings haben sich die Vertragsstaaten in den DBA nur dazu verpflichtet, sich um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Eine Verpflichtung zur Einigung besteht nicht.
Rz. 72
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Einigen sich die Vertragsstaaten iRd Verständigungsverfahrens, endet dieses mit einer Verständigungsvereinbarung, die von den nationalen FinVerw umzusetzen ist, sofern der Stpfl dem Ergebn...