Rz. 28
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Fehlt es an einer Zuweisung durch den ArbG (> Rz 12 ff) zu einer betrieblichen Einrichtung oder ist sie nicht eindeutig, ist dennoch von einer ersten Tätigkeitsstätte an der ortsfesten betrieblichen Einrichtung (> Rz 7 ff) auszugehen, an der der ArbN
- typischerweise arbeitstäglich oder
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
dauerhaft tätig werden soll (§ 9 Abs 4 Satz 4 EStG).
Die zeitlichen Merkmale sind anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose (Gesetzeswortlaut: "tätig werden soll") zu beurteilen. Wenn die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (wie zB Krankheit) abweichen, bleibt es – wie bei einer Zuordnung (> Rz 25) – aufgrund der zuvor getroffenen Prognoseentscheidung bei der ersten Tätigkeitsstätte.
Beispiel 4
ArbN F soll seine berufliche Tätigkeit an 3 Tagen im > Home-Office ausüben und an 2 vollen Tagen je Woche in der betrieblichen Einrichtung seines ArbG tätig werden.
Ein Home-Office kann nie erste Tätigkeitsstätte sein (> Rz 10 f). Erste Tätigkeitsstätte ist vielmehr die betriebliche Einrichtung des ArbG, da F dort an 2 vollen Tagen je Woche beruflich tätig werden soll.
Rz. 29
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Bei Vorliegen der vorstehenden quantitativen Merkmale (> Rz 28) muss der ArbN an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben.
Sollen ArbN an einer Tätigkeitsstätte mindestens zwei volle Arbeitstage je Arbeitswoche oder mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, wird unterstellt, dass sie nicht nur Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten erledigen. Somit haben sie an der betrieblichen Einrichtung eine erste Tätigkeitsstätte.
Das rein arbeitstägliche Aufsuchen einer Tätigkeitsstätte ist noch kein Tätigwerden. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, zB um ein Kundendienstfahrzeug, Material, Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krankmeldungen oder Ähnliches abzuholen oder abzugeben, führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte nach den quantitativen Kriterien (aber evtl zu einem Sammel-/Treffpunkt; > Rz 46). Auch das Be- und Entladen eines LKWs, kurze Rüstzeiten oder die Wartung und Pflege des Fahrzeugs führen nach Auffassung der FinVerw noch nicht dazu, dass die betriebliche Einrichtung bei Anlegen der quantitativen Kriterien als erste Tätigkeitsstätte angesehen wird (BMF vom 25.11.2020, Rz 27, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6).
Wichtig ist damit in der Praxis folgende Unterscheidung: Beim Vorliegen der quantitativen Merkmale kommt es im Ergebnis auch auf die Qualität der Tätigkeit an, wohingegen bei einer arbeitsrechtlichen Zuordnung Qualität und Umfang der Tätigkeit sowie Regelmäßigkeit des Aufsuchens grundsätzlich keine Bedeutung haben (> Rz 16 ff).
Beispiel 5
Der LKW-Fahrer L soll typischerweise arbeitstäglich den Betriebssitz des ArbG aufsuchen, um dort das Fahrzeug abzuholen sowie dessen Wartung und Pflege durchzuführen. Allein das Abholen sowie die Wartung und Pflege des Fahrzeugs führen – als Hilfs- und Nebentätigkeiten – nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte am Betriebssitz.
Allerdings handelt es sich in diesem Fall um einen sog Sammelpunkt (> Rz 46 ff).
Etwas anderes gilt freilich, wenn der ArbG dem ArbN den Betriebssitz als erste Tätigkeitsstätte zuordnet (> Rz 12 ff).
Rz. 30
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Auch hinsichtlich der quantitativen Kriterien kommt es auf die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit an. Es gelten insoweit die unter > Rz 22 ff dargestellten Grundsätze.
Beispiel 6
Der ArbN A soll in den ersten 36 Monaten seiner Tätigkeit an vier Tagen wöchentlich in der Filiale X und einen vollen Tag wöchentlich in der Filiale Y tätig werden.
In diesen 36 Monaten seiner Tätigkeit hat A in der Filiale X keine erste Tätigkeitsstätte, da er dort nicht dauerhaft tätig werden soll. Erste Tätigkeitsstätte ist auch nicht die Filiale Y, da A dort die quantitativen Kriterien nicht erfüllt.
Rz. 31
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Die quantitativen Kriterien sind anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose zu beurteilen (> Rz 28). Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (wie zB Krankheit) hiervon ab, bleibt es bei der zuvor getroffenen Prognoseentscheidung bezüglich der ersten Tätigkeitsstätte (BMF vom 25.11.2020, Rz 28, BStBl 2020 I, 1228, > Rz 6).
Ergänzend zur Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien EFG 2020, 1068 = DStRE 2020, 1382 zum indes untypischen Fall der > Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und der Frage der Gleichstellung von ArbN und Nichtarbeitnehmern.