Erste Tätigkeitsstätte bei einem Rettungssanitäter

Bei Rettungsassistenten und Rettungssanitätern ist die Bestimmung, ob eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt bzw. welche Rettungsstelle die erste Tätigkeitsstätte ist, oftmals nicht ohne eingehende Prüfung möglich.

Der BFH hat bereits entschieden, dass die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet ist, dessen erste Tätigkeitsstätte ist, wenn er dort arbeitstäglich vor dem Einsatz auf dem Rettungsfahrzeug vorbereitende Tätigkeiten vornimmt.

Dies gilt z. B. bei der Überprüfung des Rettungsfahrzeugs in Bezug auf Sauberkeit und ordnungsgemäße Bestückung mit Medikamenten und sonstigem (Verbrauchs-)Material, im Bedarfsfall Reinigung sowie Bestückung des Fahrzeugs mit fehlenden Medikamenten und fehlendem (Verbrauchs-)Material (BFH, Urteil v. 30.9.2020, VI R 11/19).

Es gibt aber auch Fälle, in denen der Arbeitnehmer an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig wird, der Arbeitsvertrag keine bestimmte Zuordnung vorsieht und konkrete schriftliche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen nicht vorliegen.

Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte

Eine erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 4 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Die Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.

Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (quantitative Zuordnungskriterien).

Fall des FG Berlin-Brandenburg: Keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Berlin-Brandenburg waren die Kläger Rettungssanitäter. Ausweislich der jeweiligen Arbeitsverträge der Kläger galt das Kreisgebiet eines Landkreises als Arbeitsort der Kläger.

Die Kläger reichten eine Arbeitgeberbestätigung ein, wonach keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt wurde und die Kläger ihre Arbeitsleistung weder arbeitstäglich zwei volle Arbeitstage noch ein Drittel der Arbeitszeit in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung verrichten, sondern ohne Zeitvorgaben an wechselnden betrieblichen Einrichtungen in allen Rettungswachen im Landkreis eingesetzt werden sollten.

Der Arbeitgeber bestätigte zudem schriftlich, dass die Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zugeordnet und innerhalb diesem dauerhaft und Grundsätzlich eingesetzt werden. Innerhalb dieses Bereichs rollieren sie jedoch dienstplanerisch auf allen Wachen.

Im Streitjahr waren die Kläger dann aber tatsächlich 145 Tage und 45 Tage in einer Rettungswache tätig. Hier sah das Finanzamt eine erste Tätigkeitsstätte. Es handele sich trotz fehlender Zuordnung durch den Arbeitgeber um eine erste Tätigkeitsstätte. Die quantitativen Kriterien seien erfüllt. Aus den Einsatzplänen sei ersichtlich, dass die Kläger überwiegend in dieser Rettungswache tätig gewesen seien. Die Einsatzpläne seien ex ante erstellt worden.

FG sieht keine erste Tätigkeitsstätte

Dies sieht das FG Berlin-Brandenburg anders (Urteil v. 25.7.2023, 11 K 11130/21). Der Arbeitgeber habe die Kläger keiner Rettungswache zugeordnet. Es steht dem Arbeitgeber bezüglich der Zuordnung das Direktionsrecht zu und er habe keine dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen oder diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen erteilt.

Hierbei stützt sich das FG nicht lediglich auf die arbeitsvertragliche Regelung, wonach das Kreisgebiet des Landkreises als Arbeitsort der Kläger gilt, sondern es zieht vielmehr auch die ausdrückliche Arbeitgeberbestätigung heran, wonach keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt wurde. Zusätzlich habe der Arbeitgeber bestätigt, dass die Mitarbeiter zwischen den Wachen rollieren und auf allen Wachen eingesetzt werden sollen.

Auch die quantitativen Merkmale für das Begründen einer ersten Tätigkeitsstätte lägen nicht vor. Diese Einordnung nach quantitativen Merkmalen erfolgt aufgrund einer ex-ante-Betrachtung der arbeitsrechtlichen Festlegungen.

Hierbei handelt es sich um eine auf die Zukunft gerichtete Prognose. Entscheidend sei im Rahmen der ex-ante-Betrachtung der Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die eine Prognose zulässt, in welcher betrieblichen Einrichtung die Arbeitsleistung schwerpunktmäßig erfolgt. Die Einsatzpläne stellten somit eine nachträgliche potentielle Abweichung von der vereinbarten Festlegung dar.

Im Streitfall habe der Arbeitgeber der Kläger ausdrücklich bestätigt, dass die Kläger ihre Arbeitsleistung weder arbeitstäglich zwei volle Arbeitstage noch ein Drittel der Arbeitszeit in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung verrichten, sondern ohne Zeitvorgaben an wechselnden betrieblichen Einrichtungen in allen Rettungswachen im Landkreis eingesetzt werden sollen. Dass die Kläger ex post mehr als ein Drittel ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in einer Rettungswache verbracht haben, sei unschädlich.

Urteil ist rechtskräftig

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die von der Verwaltung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH als unzulässig verworfen (Beschluss v. 8.2.2024, VI B 46/23). Im Rahmen des Beschlusses weist der BFH darauf hin, dass gegen die Würdigung des FG keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

Allein ein monatlich im Voraus erstellter Dienstplan könne bei einem unbefristet tätigen Arbeitnehmer keine Dauerhaftigkeit der Zuordnung begründen. Darauf, dass der Steuerpflichtige ex post betrachtet ganz überwiegend in einer bestimmten Einsatzstelle eingesetzt wurde, komme es nicht an.

Da der BFH-Beschluss aber nicht im Bundessteuerblatt veröffentlich worden ist, ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung die Auffassung des FG Berlin-Brandenburg nicht teilt.


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