Erste Tätigkeitsstätte bei Bereitschaft an verschiedenen Einsatzorten eines Feuerwehrmanns
Hintergrund: Verschiedene Einsatzorte
X ist bei einer Dienststelle in A als Feuerwehrmann angestellt. Nach seinem Arbeitsvertrag kann er vom Arbeitgeber aufgrund arbeitstäglich neu auszuübender Weisung an vier verschiedenen Einsatzorten in drei Gemeinden eingesetzt werden.
Im Streitjahr (2016) war er an 112 Tagen in der Feuerwache B eingesetzt.
X machte die Fahrtkosten zu diesem Einsatzort i.H.v. 1.008 EUR nach Reisekostengrundsätzen geltend.
Das FA setzte dagegen nur die Entfernungspauschale i.H.v. 504 EUR an. Die Pauschale betrug in 2016 0,30 EUR.
Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, X sei nicht dauerhaft der Feuerwache B zugeordnet gewesen. Denn er habe arbeitstäglich damit rechnen müssen, an einen der vier Einsatzorte beordert zu werden. Er habe sich deshalb nicht darauf einrichten können, vorrangig an einem bestimmten Ort seine Arbeitsleistung zu erbringen.
Entscheidung: Zuordnung zu einer Tätigkeitstätte durch den Arbeitgeber
Die dauerhafte Zuordnung ist vom FG (bzw. FA) unter Würdigung der Gesamtumstände festzustellen. Im Streitfall widerspricht der BFH dem Urteil des FG, dass allein aufgrund der möglichen verschiedenen Einsatzstellen eine erste Tätigkeitsstätte verneinen sei. Sodann betont der BFH, dass auch die Arbeitsbereitschaft eine Tätigkeit darstellt, die zur Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte führt. Der BFH verwies den Fall zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurück.
Erste Tätigkeitsstätte
Die Zuordnung zu einer Einrichtung des Arbeitgebers wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll (BFH v. 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019 S. 536, Rz. 17 und BFH v. 10.4.2019, VI R 17/17, BFH/NV 2019 S. 904, Rz. 20).
Direktionsrecht des Arbeitgebers
Ist der Arbeitnehmer aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es für die Bejahung einer ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers dort nicht an. Erforderlich (und ausreichend) ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (BFH v. 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019 S. 536, Rz. 18 f., und BFH v. 11.4.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019 S. 546, Rz. 25 f.).
Fehlerhafte Verneinung einer ersten Tätigkeitsstätte durch das FG
Das FG hat (dem FA folgend) eine (dauerhafte) Zuordnung des X zur Feuerwache B allein mit der Begründung verneint, X sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Standorten zu leisten. Der BFH widerspricht dem vom FG gezogenen Umkehrschluss, damit sei X keiner dieser vier betrieblichen Einrichtungen zugeordnet worden. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, steht seiner Zuordnung zu einer dieser Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.
Weitere Sachaufklärung durch das FG
Das FG wird festzustellen haben, ob X dem Einsatzort B durch den Arbeitgeber (trotz dessen Befugnis zu arbeitstäglich geänderter Weisung) gleichwohl dauerhaft zugeordnet war. Dazu können die Dienstpläne indiziell herangezogen werden. Da X substantiiert vorgetragen hat, dass er ohne konkrete Festlegung von vornherein an sämtlichen Standorten eingesetzt werden sollte, kann die Rechtsprechung, nach der der Arbeitnehmer regelmäßig der Einrichtung zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist, nicht ohne Weiteres herangehzogen werden (BFH v. 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019 S. 536, Rz. 17 und BFH v. 10.4.2019, VI R 17/17, BFH/NV 2019 S. 904, Rz. 20). Das FG wird die eventuelle Zuordnung (und ob sie auch dauerhaft war) insbesondere durch Zeugeneinvernahme festzustellen haben.
Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten als Tätigkeit
Gelangt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine dauerhafte Zuordnung vorlag, weist der BFH für die weitere Frage, ob X dort in dem erforderlichen Umfang tätig geworden ist, darauf hin, dass auch die Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten, soweit diese an der ersten Tätigkeitsstätte abzuleisten sind, Tätigkeiten darstellen, die arbeitsvertraglich geschuldet sind und dem Berufsbild der Betriebs-/Werksfeuerwehr entsprechen. Sollte eine solche dienstrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte nicht festgestellt werden können, wird des Weiteren zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG (typischerweise arbeitstäglich/zwei Wochentage/ein Drittel der Arbeitszeit tätig sein) vorgelegen haben.
Hinweis: Feststellungslasst
Da die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steuerentlastende Umstände beim Steuerpflichtigen liegt, ist in derartigen Fällen entscheidend, dass die gegen eine erste Tätigkeitsstätte sprechenden Umstände möglichst konkret nachvollziehbar vorgetragen werden. Andernfalls greifen die o.a. Rechtsprechungsgrundsätze, nach denen es regelmäßig der Lebenswirklichkeit entspricht, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.
BFH Urteil vom 26.10.2022 - VI R 48/20 (veröffentlicht am 23.02.2023)
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