Tz. 1
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Der Staat muss die Besteuerung des Einkommens wegen des Gebots der Steuergerechtigkeit (Art 3 Abs 1 GG) an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Stpfl ausrichten (BVerfG, BStBl 1977 II, 135; 1982 II, 717; 1984 II, 357, 359; 1985 II, 22; 1987 II, 240). Er muss deshalb dem Stpfl grundsätzlich sein > Einkommen steuerfrei belassen, soweit es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (subjektives > Nettoprinzip Rz 4). Dabei gilt nicht zwingend der sog Halbteilungsgrundsatz (BVerfG 115, 97 = DB 2006, 756).
Aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgrundsatz des Art 20 Abs 1 GG und aus Art 6 Abs 1 GG folgt, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder unabhängig davon steuerfrei bleiben muss, wie die Besteuerung im Einzelnen ausgestaltet ist und welche Familienmitglieder dabei als Stpfl herangezogen werden (BVerfG 82, 60 = BStBl 1990 II, 653; BVerfG 82, 198 = BStBl 1990 II, 664). Die Regelungen des EStG zu > Ehegatten und Ehen sind auch auf eingetragene > Lebenspartner anzuwenden (§ 2 Abs 8 EStG); seit dem 01.10.2017 steht aber ohnehin auch die Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren offen (Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017, BGBl 2017 I, 2787).
Tz. 2
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Nach hM repräsentiert der > Grundfreibetrag (§ 32a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG) das steuerfrei zu belassende Existenzminimum ieS (BFH 161, 109 = BStBl 1990 II, 969 mwN). Der Grundfreibetrag ist in den Einkommensteuertarif eingearbeitet und bewirkt als sog Nullzone (> Lohnsteuertarif Rz 5) die steuerliche Nichtbelastung des Einkommens in einer der wirtschaftlichen Entwicklung folgenden Höhe (> Rz 4).
Tz. 3
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
In der Vergangenheit hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags grundsätzlich bestätigt (vgl zB BFH 165, 415 = BStBl 1992 II, 91; BFH 226, 99 = BStBl 2010 II, 414). Verfassungsgemäß ist die Besteuerung aber nur, wenn der Stpfl über ein Einkommen verfügt, von dem ihm nach Abführung von Steuern ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt verbleiben (vgl BFH 168, 174 = BStBl 1992 II, 729). Nach Abzug der auf das zvE (> Einkommen Rz 2) zu entrichtenden Steuer muss ihm mindestens das sozialhilferechtlich garantierte Existenzminimum verbleiben (BFH 164, 570 = BStBl 1991 II, 876).
Tz. 3/1
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Im Prinzip bestätigt dies auch das BVerfG: Dem Stpfl muss nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen verbleiben, was er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und – unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG – desjenigen seiner Familie benötigt (BVerfG 87, 153 = BStBl 1993 II, 413). Bei der Bestimmung des Existenzminimums hat der Gesetzgeber mithin einen Spielraum: Die unterste Grenze ist der Betrag, den der Staat einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge zur Verfügung stellt (vgl BVerfG 87, 153 = BStBl 1993 II, 413 sowie BVerfG 91, 93 = BStBl 1994 II, 909). Im Übrigen kann das Existenzminimum einer Familie nicht nur durch den Grundfreibetrag, sondern auch durch die steuerliche Berücksichtigung von > Unterhaltsleistungen oder durch > Kindergeld gesichert werden (vgl BVerfG 91, 93 aaO). Zur Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs > Kinderfreibeträge Rz 1 ff.
Tz. 4
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Der Grundfreibetrag zur Sicherung des verfassungsgemäßen Existenzminimums wird der wirtschaftlichen Entwicklung fortlaufend angepasst. Er betrug bzw beträgt jeweils:
Veranlagungszeitraum |
Grundtabelle |
Splittingtabelle |
1999 |
13 067 DM |
26 134 DM |
2000 |
13 499 DM |
26 998 DM |
2001 |
14 093 DM |
28 187 DM |
2002/2003 |
7 235 EUR |
14 470 EUR |
2004 bis 2008 |
7 664 EUR |
15 392 EUR |
2009 |
7 834 EUR |
15 668 EUR |
2010 bis 2012 |
8 004 EUR |
16 008 EUR |
2013 |
8 130 EUR |
16 260 EUR |
2014 |
8 354 EUR |
16 708 EUR |
2015 |
8 472 EUR |
16 944 EUR |
2016 |
8 652 EUR |
17 304 EUR |
2017 |
8 820 EUR |
17 640 EUR |
2017 |
8 820 EUR |
17 640 EUR |
2018 2019 2020 2021 2022 |
9 000 EUR 9 168 EUR 9 408 EUR 9 744 EUR 9 984 EUR |
18 000 EUR 18 336 EUR 18 816 EUR 19 488 EUR 19 968 EUR |
Tz. 5
Stand: EL 130 – ET: 05/2022
Aus der Verpflichtung, das steuerfrei bleibende Existenzminimum kontinuierlich an die Geldentwertung/Inflation anzupassen ergibt sich jedoch nach Sicht des BFH keine Verpflichtung des Gesetzgebers, Pauschbeträge anzuheben, mit denen aufgrund gesetzlicher Regelungen Aufwendungen ohne Nachweis anerkannt werden wie zB die Aufwendungen Schwerbehinderter nach § 33b Abs 3 EStG (BFH/NV 2003, 1164, VerfB nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 17.01.2007 – 2 BvR 1059/03; ergänzend > Behinderten-Pauschbetrag Rz 47 ff). Vgl ausführlich zu Pauschbeträgen und Pauschalen bei der ESt ferner zB BT-Drs 19/5034 sowie die einschlägigen Stichworte, zB > Arbeitnehmer-Pauschbetrag.