Grundfreibetrag bei der Aufteilung im Verhältnis der Teileinkünfte im Insolvenzverfahren
Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) regelt unter § 251 Tz. 9 zur Aufteilung, dass die einheitlich ermittelte Jahreseinkommensteuerschuld im Verhältnis der Einkünfte den verschiedenen insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen zuzuordnen ist. Mit News vom 11.03.2021 haben wir in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der BFH bei der Aufteilung im Verhältnis der Teileinkünfte auch den Altersentlastungsbetrag berücksichtigt (da er einkünftebezogen ist). Das FG Sachsen ging noch ein Stück weiter. Hier hat der BFH aber aktuell anders entschieden.
Beispiel: Jahr nach Verfahrenseröffnung
Über das Vermögen des A wurde in 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. In 2019 erzielte A Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. von 120.000 EUR (der Insolvenzmasse zuzuordnen) und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. H. von i. H. von 17.500 EUR (dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen). Die festzusetzende Einkommensteuer 2019 beträgt 45.000 EUR. Für die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit wurde 1.300 EUR Lohnsteuer einbehalten.
Aufteilung nach dem Teileinkünfteverfahren
Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die Aufteilungsmethode der Jahressteuerschuld nach Maßgabe des Verhältnisses der jeweiligen Teileinkünfte auch in Ansehung der progressiven Einkommensteuerbelastung sachgerecht ist, weil zur Jahressteuerschuld ununterscheidbar alle Einkommensteile beigetragen haben.
Der Aufteilungsmaßstab soll für die Steuerschuld allein das Verhältnis der Höhe der einzelnen Teileinkünfte zur Summe der Einkünfte zueinander sein. Danach ist hier für das insolvenzfreie Vermögen wie folgt aufzuteilen, was auch der Aufteilung in der Praxis entspricht:
Festzusetzende Steuer: 45.000 EUR x Einkünfte 17.500 EUR / Gesamteinkünfte 137.500 EUR= 5.727 EUR - Lohnsteuer 1.300 EUR = Steuernachzahlung 4.427 EUR |
Es ist zu erkennen, dass die hohen Einkünfte aus Gewerbebetrieb - welche der Insolvenzmasse zuzuordnen sind - dazu führen, dass die Aufteilung im Verhältnis der Teileinkünfte offensichtlich zu einem unzutreffenden Ergebnis (für das insolvenzfreie Vermögen) führt.
Grundfreibetrag von den insolvenzfreien Einkünften abzuziehen?
Daher ist das FG Sachsen nicht der Auffassung (Urteil vom 05.02.2020 - 5 K 1387/19), dass der alleinige Aufteilungsmaßstab für die Steuerschuld das Verhältnis der Höhe der einzelnen Teileinkünfte zur Summe der Einkünfte zueinander sein soll. Hierbei komme es nicht nur zu einer ungleichen Progressionsbelastung der einzelnen "Besteuerungsabschnitte", z. B., dann, wenn - wie hier - der Insolvenzverwalter bei der Verwertung hohe Gewinne erzielt, sondern besonders augenfällig wird dabei, dass auf A hier einer Steuerschuld i. H. von 5.727 EUR entfällt, obwohl die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit lediglich 17.500 EUR betragen.
Damit bliebe A nach (gedanklichem) Abzug der von ihm getragenen Vorsorgeaufwendungen nicht einmal mehr als sein Grundfreibetrag nach § 32a EStG (in 2019 9.168 EUR). Daher kommt das FG zu dem Ergebnis, dass A - bei der hier vorgenommenen Aufteilung - das steuerlich zu verschonende Existenzminimum und damit sein in der Rechtsgemeinschaft anerkannter Mindestbedarf nicht mehr verbleibt und daher bei der Festsetzung der Einkommensteuer von den insolvenzfreien Einkünften der Grundfreibetrag abzuziehen ist.
Zwar habe der BFH bislang noch keine eindeutige Entscheidung dazu getroffen, ob bei Aufteilung der Gesamtsteuerschuld der Grundfreibetrag zugunsten des Insolvenzschuldners zu berücksichtigen ist, sich dies auf die Gesamteinkünfte niederschlägt und somit als Folge auch auf das Verhältnis der Teileinkünfte zueinander. Nach Ansicht des FG ist der Grundfreibetrag aber allein bei A (die Masse bedarf keinen Schutz des Existenzminimums) zu berücksichtigen, obwohl dieser weder bei der Ermittlung der Einkünfte noch bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte vom Wortlaut her zu erfassen wäre. Ungeachtet des Wortlauts und der Systematik der Ermittlung der Einkünfte müsse festgestellt werden, dass der Grundfreibetrag – als existenzsicherndes Minimum – einkommensbezogen ist, da § 32a Abs. 1 EStG an das zu versteuernde Einkommen anknüpft. Dies spreche dafür, den Grundfreibetrag zumindest bei der einkünftebezogenen Aufteilung der Steuerschuld zwischen Insolvenzschuldner und Masse zu Gunsten des Insolvenzschuldners zu berücksichtigen. Das FG kommt daher zu folgendem Ergebnis:
Festzusetzende Steuer: 45.000 EUR x Einkünfte 17.500 EUR - Grundfreibetrag 9.168 EUR = 8.332 EUR / Gesamteinkünfte 128.332 EUR = 2.921 EUR - Lohnsteuer 1.300 EUR = Steuernachzahlung 1.621 EUR |
Ggf. Schattenveranlagung?
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass bei vergleichbaren Fällen wir hier, in der Praxis früher gelegentlich auf eine sogenannte Schattenveranlagung zurückgegriffen wurde. Dies ist auch der Literatur nicht neu (z. B. Uhländer in Waza/Uhländer/Schmidt, Insolvenzen und Steuern, 12. Auflage, 2019, Rn. 1461). Hier wird quasi ähnlich wie bei der Aufteilung der Gesamtschuld nach den § 268 ff. AO eine Teilveranlagung für jede Vermögensmasse durchgeführt (zu vergleichen mit der fiktiven Einzelveranlagung). Anschließend werden für die Teilveranlagungen jeweils die Steuerschulden errechnet und zueinander ins Verhältnis gesetzt.
Aktualisierung v. 5.6.2023: Kein Abzug des Grundfreibetrags und auch keine Schattenveranlagung
Der BFH hat nun klargestellt (Urteil vom 19.01.2023 - III R 44/20), dass der Grundfreibetrag Teil der Tarifvorschriften und nicht zum Abzug von den Einkünften vorgesehen ist. Auch komme keine andere Aufteilungsmethode in Betracht.
Dies beruhe darauf, dass der Insolvenzschuldner materiell-rechtlich auch hinsichtlich des Teils der Einkommensteuerschuld Steuerschuldner ist, der gegenüber dem Insolvenzverwalter als Vertreter der Insolvenzmasse festzusetzen ist.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG sind dem Insolvenzschuldner nicht nur die Einkünfte zuzurechnen, die er während des Insolvenzverfahrens durch eigene Arbeit unmittelbar selbst erzielt, sondern auch alle Einkünfte aus der Insolvenzmasse, auch wenn sie aus Handlungen oder Maßnahmen des Insolvenzverwalters resultieren oder in sonstiger Weise durch die Masse begründet sind und unabhängig davon, ob der Insolvenzschuldner hierauf Zugriff hat. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter habe seine Ursache ausschließlich im Insolvenzrecht und keinen Einfluss auf das materielle Einkommensteuerrecht.
Wenn dem Insolvenzschuldner danach alle Einkünfte weiterhin steuerlich zuzurechnen sind und der Insolvenzverwalter insoweit lediglich als Partei kraft Amtes mit Wirkung für den Insolvenzschuldner handelt sowie das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer ist, ist es nach Auffassung des BFH folgerichtig, die Gesamt-Einkommensteuer zwischen Insolvenzmasse und Insolvenzschuldner im Verhältnis der Einkünfte aufzuteilen.
Jede andere Aufteilung - z.B. eine Aufteilung im Verhältnis des Einkommens i.S. des § 2 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung getragener Sonderausgaben oder außergewöhnlicher Belastungen, des zu versteuernden Einkommens i.S. des § 2 Abs. 5 EStG oder im Verhältnis der durch fiktive Einzelveranlagungen (Schattenveranlagungen) erechneten Einkommensteuer analog § 270 Satz 1 AO - widerspräche der gesetzlichen Grundsystematik und wäre auch nicht praktikabel.
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