Rz. 158
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Die gesetzlichen Pflichten müssen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden sein (§ 69 Satz 1 AO). Vorsätzlich handelt, wer seine steuerlichen Pflichten kennt und sie bewusst verletzt oder doch ihre Verletzung in Kauf nimmt. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich grobem Maße verletzt. Dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, oder die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt (vgl T/K/Loose, § 69 AO Rz 26).
Rz. 159
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Pflichtverletzungen, für die ein gesetzlicher Vertreter usw (> Rz 155–157) iSv § 69 AO haftet, sind ua Verstöße gegen die Pflicht des ArbG zum ordnungsgemäßen LSt-Abzug iSv § 38ff EStG. Zu Einzelheiten > Rz 170. Stehen dem gesetzlichen Vertreter usw nur Mittel in Höhe der ausgezahlten Nettolöhne zur Verfügung, so besteht seine Pflichtverletzung darin, dass er die Löhne nicht zwecks anteiliger Befriedigung des FA entsprechend gekürzt als Abschlag oder Teilbetrag an die ArbN ausgezahlt hat (BFH 153, 512 = BStBl 1988 II, 859; BFH/NV 1999, 745). Will er die Haftung vermeiden, muss er deshalb sicherstellen, dass die Löhne nur gekürzt an die ArbN ausgezahlt und aus den verbleibenden Mitteln die Steuerabzugsbeträge an das FA abgeführt werden (BFH/NV 1999, 745 mwN; kritisch T/K/Loose, § 69 AO Rz 41); ebenso in Erwartung kurzfristig verbesserter Liquidität (vgl EFG 2012, 1000). Das gilt so lange, bis dem Gf durch die Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des > Insolvenzverfahren Rz 3, 10 die Verfügungsbefugnis entzogen wird (BFH 222, 228 = BStBl 2009 II, 129). Zum Verhältnis des Gf einer insolventen GmbH zum vorläufigen Insolvenzverwalter vgl BFH/NV 2010, 1120. Zur Haftung des Vorstands, wenn der Aufsichtsrat jeder Zahlung zustimmen muss, vgl BFH/NV 2010, 1610. Ergänzend > Rz 162. Wird der Gf handlungsunfähig, muss er die Geschäftsführung niederlegen (vgl EFG 2011, 2 bei plötzlicher Inhaftierung). Bewirkt der Ges-Gf eine vGA, kann das die Haftung nach § 69 AO begründen, wenn die KapGes später die aus diesem Grund fällig werdenden Steuern nicht bezahlen kann (vgl EFG 2007, 1654).
Rz. 159/1
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Haftungsbegründende Pflichtverletzungen sind vor allem die Nichtabgabe von Steuererklärungen wie zB der > Lohnsteuer-Anmeldung, die den gesetzlichen Verpflichtungen des ArbG entsprechen, und die Nichtabführung der sich insoweit ergebenden Zahlungen, nicht jedoch – zusätzlich – die Beachtung der tatsächlichen Fälligkeit einer Steuerzahlung und der Eintritt eines Schadens auf Seiten des Fiskus (BFH 199, 95 = BStBl 2003 II, 223; BFH/NV 2008, 737). Für den Verschuldensgrad wird unterschieden zwischen der Sorgfalt bei der Berechnung und bei der Abführung der LSt: Für Pflichtverletzungen bei der Abführung wird ein schärferer Maßstab angelegt (BFH 104, 294 = BStBl 1972 II, 364). Die Nichtabführung einbehaltener LSt ist idR eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung eines GmbH-Geschäftsführers (BFH/NV 1991, 283; 1999, 745). Zum Mitverschulden des FA vgl EFG 2010, 11.
Rz. 159/2
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Auch für die Abführung vom ArbG übernommener pauschaler LSt haftet ein gesetzlicher Vertreter usw (> Rz 155). Ein Verschulden trifft ihn insoweit, als er das FA gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt (BFH 160, 417 = BStBl 1990 II, 767; vgl auch EFG 1989, 83: keine Haftung für nach Eintritt der Vermögenslosigkeit entstandene pauschale LSt). Vgl aber OFD Erfurt vom 26.02.1996, DB 1996, 755 = DStR 1996, 670: Haftungsbegründende Pflichtverletzung kann ggf ab Zahlung des Arbeitslohns gegeben sein. Zur Auskunftspflicht des Geschäftsführers vgl BFH 157, 315 = BStBl 1990 II, 357. Zu Besonderheiten > Insolvenzverfahren Rz 2 ff.
Rz. 159/3
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Weitere Einzelfälle: Ein ehrenamtlich und unentgeltlich tätiger Vorsitzender eines Vereins haftet persönlich für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten des Vereins (BFH 186, 132 = BStBl 1998 II, 761; BFH 202, 22 = BStBl 2003 II, 556); ebenso eine ehrenamtlich tätige Schatzmeisterin (EFG 1999, 874). Stellt ein gesetzlicher Vertreter fest, dass ein Vorgänger LSt einbehalten, aber nicht abgeführt hat, so muss er die vorhandenen Mittel zunächst zur Tilgung rückständiger Steuerabzüge verwenden (BFH/NV 2006, 897). Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt den gesetzlichen Vertreter nicht (BFH/NV 2001, 411); auch nicht Unkenntnis eines GmbH-Gf über die mit seiner Bestellung übernommenen steuerlichen Pflichten (BFH/NV 2006, 241 mwN). Allein der Umstand, dass der > Steuerberater mangelhaft beraten hat, entlastet den Gf nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, wenn er sich nicht aktiv um die Kenntnis seiner steuerlichen Erklärungspflichten bemüht hat (BFH/NV 2006, 1439). Die schlechte wirtschaftliche Lage entschuldigt nicht ohne Weiteres. So haftet zB der Gf einer KG, der die...