Rz. 200
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Der Haftungsbescheid ist schriftlich zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs 1 AO). Besonders der Sachverhalt, der zur Haftung des ArbG führt, ist darzustellen; ebenso die den > Verwaltungsakt rechtfertigenden Gesetzesvorschriften (EFG 2002, 374). Außerdem muss – schon damit der ArbG die von ihm nacherhobene LSt auf den ArbN überwälzen kann (vgl BFH 138, 379 = BStBl 1983 II, 517; > Rz 248 ff) – grundsätzlich der die LSt schuldende ArbN genannt sein; das Fehlen dieser Angabe macht den Haftungsbescheid jedoch nicht rechtswidrig iSd § 121 AO (BFH 181, 562 = BStBl 1997 II, 306). Das gilt auch, wenn es sich um mehrere ArbN handelt (Offerhaus, BB 1982, 793; von Bornhaupt, BB 1982, 1539; > Rz 197). Die LSt ist trotz des damit verbundenen Arbeitsaufwands grundsätzlich selbst dann individuell zu ermitteln und nicht mit dem durchschnittlichen (Brutto-) Steuersatz zu schätzen, wenn das FA in einem Haftungsbescheid LSt wegen der Zuwendung von > Arbeitslohn in einer Vielzahl von Fällen nachfordert (BFH 174, 89 = BStBl 1994 II, 536). Nur in folgenden Fällen müssen die auf den einzelnen ArbN entfallenden Steuerschulden im Haftungsbescheid nicht angegeben und es kann die LSt mit einem durchschnittlichen Bruttosteuersatz (BFH 172, 472 = BStBl 1994 II, 197) ermittelt werden (BFH 174, 89 = BStBl 1994 II, 536):
- Es liegen die Voraussetzungen für eine > Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) vor, zB weil der auf den einzelnen ArbN entfallende, nachzuversteuernde Arbeitslohn wegen Fehlens von Aufzeichnungen nicht ermittelt werden kann (BFH 142, 483 = BStBl 1985 II, 164; BFH/NV 1986, 303);
- der ArbG ist mit der Berechnung der Haftungsschuld mit einem durchschnittlichen Steuersatz – zumindest stillschweigend – einverstanden, zB weil er von vornherein nicht beabsichtigt, bei den ArbN Regress zu nehmen (BFH 142, 494 = BStBl 1985 II, 170; BFH 172, 472, aaO);
- dem ArbG ist vor Erlass des Haftungsbescheids ein Schreiben oder ein Prüfungsbericht (> Außenprüfung Rz 70 ff) übermittelt worden, in dem die betragsmäßige Aufteilung nach Steuerart und Zeitraum aufgeführt ist und auf das in der Begründung Bezug genommen wird (vgl BFH/NV 2002, 1275; 2007, 204).
Rz. 201
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
BFH 172, 472 = BStBl 1994 II, 197 hat – systematisch zutreffend – entschieden, dass das FA den ArbG nur mit dem Bruttosteuersatz in Haftung nehmen darf, weil bis zum Erlass des Haftungsbescheids nur die damit versteuerten Bezüge zugeflossen sind. Die mit dem Bruttosteuersatz nachgeforderte LSt ist jedoch für die beteiligten ArbN wiederum ein geldwerter Vorteil (> Arbeitslohn), der der LSt unterliegt. Ein Nettosteuersatz kommt aber nicht in Betracht, weil die vom ArbG zu übernehmende LSt auf die im Haftungswege nachgeforderte LSt erst zu besteuern ist, wenn die Haftungsschuld bezahlt und den beteiligten ArbN damit weiterer Arbeitslohn zugeflossen ist. Daraus ergeben sich Fragen für die weitere Abwicklung: Bei Bezahlung der Haftungsschuld ist dem ArbG idR bekannt, dass diese besteuerbare Leistung nicht auf die ArbN abgewälzt wird, dieser Arbeitslohn also netto gezahlt wird. Der ArbG muss deshalb – will er sich nicht rechtswidrig verhalten – von sich aus lohnsteuerliche Folgerungen aus dem > Zufluss von Arbeitslohn ziehen, der sich durch die Bezahlung der Haftungsschuld ergibt. Der individuelle LSt-Abzug entfällt, weil die Lohnzahlung den einzelnen ArbN nicht zugerechnet werden kann. Mit einem durchschnittlichen Bruttosteuersatz darf der ArbG diesen sonstigen Bezug (> Sonstige Bezüge) nicht besteuern, da hierfür eine Rechtsgrundlage in § 39b EStG nicht enthalten ist. Der ArbG muss deshalb die Pauschalierung der LSt nach § 40 Abs 1 Nr 1 EStG (> Pauschalierung der Lohnsteuer Rz 82 ff) beantragen und mit dem vom FA genehmigten Nettosteuersatz besteuern. Stattdessen kann der ArbG zur Vereinfachung bereits vor Ergehen des Haftungsbescheids die vorgenannte Pauschalierung der LSt nach § 40 Abs 1 Nr 2 EStG beantragen. Dann erlässt das FA idR den die im Ergebnis zutreffende Nettolohnsteuer festsetzenden Nachforderungsbescheid zeitgleich mit dem Haftungsbescheid (> Rz 199).
Rz. 202
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Einer Begründung des Haftungsbescheids einschließlich einer Darlegung der für die Ermessensentscheidung (> Ermessen) maßgebenden Erwägungen bedarf es nicht, soweit dem Haftungsschuldner die Auffassung des FA über die Sach- und Rechtslage schon bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar ist (§ 121 Abs 2 Nr 2 AO; vgl von Bornhaupt, BB 1981, 2129 [2130]; BB 1982, 1539; zT aA Offerhaus, BB 1982, 793). Außerdem genügt es, wenn sich die Angaben aus dem Prüfungsbericht (> Außenprüfung Rz 70 ff; dieser ist idR Anlage zum Haftungsbescheid) ergeben (vgl BFH 144, 244 = BStBl 1985 II, 664).
Rz. 203
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Fehlt eine erforderliche schriftliche Begründung, so ist der > Verwaltungsakt fehlerhaft. Der Fehler macht den Haftungsbescheid aber nicht nicht...