Rz. 231
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Grundregel: Ein Haftungsbescheid kann ergehen, wenn der Haftungsanspruch entstanden ist (> Rz 28) und solange er weder erloschen (zu Einzelheiten > Rz 32) noch verjährt ist. Zur Entstehung > Rz 28–30, Rz 55 ff; zur Verjährung > Rz 235.
Rz. 232
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Eine weitere zeitliche Begrenzung ergibt sich aus der Akzessorietät des Haftungsanspruchs zu dem ihn tragenden Steueranspruch (zu Einzelheiten > Rz 15). Deshalb kann ein Haftungsbescheid erst ergehen, nachdem die Steuer entstanden (> Entstehung und Fälligkeit der Lohnsteuer Rz 2) und solange der Steueranspruch noch nicht verjährt oder vorher erloschen ist. Einen Haftungsbescheid darf das FA nicht mehr erlassen (vgl § 191 Abs 5 AO),
- soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und nach Ablauf der Festsetzungsfrist für den Steueranspruch wegen > Verjährung Rz 13 ff auch nicht mehr festgesetzt werden kann (§ 191 Abs 5 Satz 1 Nr 1 AO). Ein vorher festgesetzter Haftungsanspruch wird durch den Eintritt der Verjährung des Steueranspruchs also nicht mehr berührt;
- soweit die gegen den ArbN festgesetzte Steuer (wegen persönlicher oder sachlicher Unbilligkeit; dazu > Billigkeit Rz 13 ff) erlassen worden ist (§ 191 Abs 5 Satz 1 Nr 2 AO).
Beides gilt nur dann nicht, wenn der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung begangen hat (§ 191 Abs 5 Satz 2 AO).
Rz. 233
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Ergänzende Hinweise: Die Zulässigkeit einer Inhaftungnahme des ArbG oder eines anderen Haftungsschuldners entfällt zwar grundsätzlich mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist (> Verjährung) für die anzumeldende und abzuführende LSt, also die Anmeldungssteuerschuld (> Lohnsteuer-Anmeldung Rz 15 ff). Solange die Festsetzung der nicht einbehaltenen und abgeführten Steuerabzüge aber noch zulässig ist, bleibt auch der Erlass eines Haftungsbescheids zulässig (> Rz 235).
Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids setzt also voraus, dass die Steuerschuld, für die gehaftet wird, im Zeitpunkt seines Erlasses materiell-rechtlich noch besteht (BFH 190, 25 = BStBl 2000 II, 486 mwN). Hat das FA einen Haftungsbescheid aber erst einmal rechtmäßig erlassen, so bleibt es ohne Auswirkung auf seinen Bestand, wenn die zugrunde liegende Steuerschuld verjährt. Ebenso bei nachträglichem Eintritt der Zahlungsverjährung (BFH/NV 2002, 305). Nach Ablauf der Festsetzungsfrist – also wenn die Anmeldungssteuerschuld verjährt ist – darf das FA einen Haftungsbescheid nicht mehr erlassen.
Rz. 234
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Der Lohnsteuer-Anspruch verjährt grundsätzlich mit Ablauf des vierten Jahres nach dem Jahr, in welchem die > Lohnsteuer-Anmeldung abgegeben worden ist, wenn keine Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung gegeben ist (§ 170 Abs 1 iVm § 169 Abs 2 Nr 2 AO; > Verjährung Rz 14 ff). Der Ablauf der Festsetzungsfrist kann allerdings durch eine bei verspäteter Abgabe der LSt-Anmeldung ausgelöste Anlaufhemmung (> Verjährung Rz 15 ff) oder durch eine Ablaufhemmung (> Verjährung Rz 22 ff) während einer > Außenprüfung (> Verjährung Rz 28 ff [43 ff]) beeinflusst werden.
Rz. 235
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Die Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Sie beträgt regulär vier Jahre (ergänzend > Verjährung Rz 35). § 191 Abs 3 Satz 4 AO enthält Besonderheiten für den Ablauf der Festsetzungsfrist: Sie wird solange gehemmt, bis auch die Festsetzungsfrist für die der Haftung zugrunde liegende Steuer abgelaufen ist (> Verjährung Rz 37). Die reguläre 4-jährige Festsetzungsfrist wird aber bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung nur im Falle der Haftung gemäß § 70 AO (> Rz 165) und § 71 AO (> Rz 177) auf 5 bzw 10 Jahre verlängert (§ 191 Abs 3 Satz 2 AO), in anderen Haftungsfällen jedoch nicht (BFH 199, 95 = BStBl 2003 II, 223). Ergänzend > Verjährung Rz 20 ff.
Rz. 236
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Die Verjährung des maßgebenden Steueranspruchs beim ArbN hat auf die Akzessorietät der Haftung des ArbG (> Rz 232) keine unmittelbare Auswirkung, weil sie nur im Verhältnis zum ArbN wirkt (vgl § 44 Abs 2 Satz 3 AO; T/K/Drüen, § 44 AO Rz 19). Die Verjährung der Steuerfestsetzung von ESt im Rahmen einer > Veranlagung von Arbeitnehmern hat auf die Haftung des ArbG ebenfalls keinen unmittelbaren Einfluss; das ergibt sich ebenso aus § 44 AO (vgl auch BFH 159, 296 = BStBl 1990 II, 526). Gleichwohl darf das FA nach Ablauf der Festsetzungsfrist einen Haftungsbescheid gegen den ArbG nicht mehr erlassen (§ 191 Abs 5 AO; > Rz 232). Abweichend hält BFH 169, 208 = BStBl 1993 II, 169 eine Inhaftungnahme des ArbG für ermessenswidrig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
Rz. 237
Stand: EL 126 – ET: 04/2021
Zulässig bleibt eine Nacherhebung beim veranlagten ArbN innerhalb der für diesen geltenden Festsetzungsfrist durch Änderung der Steuerfestsetzung oder durch Nachforderung von Lohnsteuer. Die Ablaufhemmung während der > Außenprüfung beim ArbG (vgl § 171 Abs 4 AO; > Verjährung Rz 28 ff) bleibt aber ...